Die Nacht war nicht so doll, was daran lag, dass der Generator unseres Nachbarn zur Rechten immer mal wieder bollernd angesprungen ist, um uns damit aus dem Schlaf zu reissen. Aber so ist es nun einmal. Um acht sind wir munter und unternehmenslustig.
Da quasi unsere gesamte Elektronik auf Null ist (wir haben keinen Strom, versteht sich, nur ganz laue Auflademöglichkeiten über den Zigarrettenanzünder), müssen wir uns irgendwo einschleichen und an Steckdosen ran. Unser Ziel: Shirley Delicious. Sie wollen ja ab acht geöffnet sein…
Und das sind sie wirklich! Haben wir gestern vor der Tür einen Ferrari gesehen, sind es heute mindestens acht, neun Harleys. Deren Fahrer frühstücken auch schon, ausserdem gibt es eine lange Schlange am Ordertresen. Die kommen mit dem Backen kaum nach: die Muffins – Blaubeer, Zimt, Vanille, Rhabarber und mehr – werden ofenheiss verkauft. Wir kriegen zwei Kaffee und zwei Schokocroissants, die so duftig sind, wie man sie auch in Frankreich nicht besser findet.
Der Chef ist bester Laune, trällert und singt und begrüsst jeden wie längst verloren geglaubte Freunde. Nimmt der was?!?!? Wir geniessen unser Frühstück, die sich aufladenden Akkus, lesen mails – danke! – und Kommentare zu andando – immer eine grosse Freude -, laden das nächste Machwerk unserer Reisebeschreibung auf und fahren schliesslich nach Sooke.
Badetag! Das Bäderland Hamburg sollte sich mal ein Beispiel an dem Winznest Sooke nehmen: Damit es sich jeder leisten kann, kostet der Schwimmbetrieb samstags von 9:30 bis 12:00 nur zwei Dollar. Wir sind zwar ein bisschen früh, aber die Lady an der Rezeption nimmt uns nur vier Dollar ab. Alles, was wir auf dem Leib tragen, wird komplett ausgetauscht, denn vom Aquabad geht es direkt in den Waschsalon. 3,50 die grosse Ladung, 1 Dollar fürs Waschpulver – vierzig Minuten Zeit, nebenan einen Kaffee und ein bisschen Internet, dann nochmal ein halbes Stündchen – alles sauber.
Wir bemerken den zunehmenden Verkehr: Zum Victoria Day wollen alle raus. Der wird in Kanada zu Ehren der Königin Victoria seit 1845 gefeiert und ist ein nationaler Feiertag. Die grösste, opulenteste Parade soll in Victoria stattfinden – ohne uns. Vor allem nehmen die Kanadier an diesem langen Wochenende Abschied vom Winter und begrüssen den Sommer.
Heute tun sie es mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um 15 Grad, die die Einheimischen dazu veranlassen, sich hochsommerlich an-, bzw. auszuziehen. In der Sonne ist es wirklich schön warm, aber im Schatten…
Nach kleinen Hamsterkäufen für die nächsten Tage zieht es uns zurück ins Camp. Sämtliche Plätze in der Gegend sind voll. Streunende Wohnmobile, Biker-Gruppen, Radfahrer, Autos – alle irren herum auf der Suche nach einem Platz zum Übernachten. Bei uns geht es zu wie im Taubenschlag: reinfahren, gucken, abhauen. Alles voll.
Derweil vollzieht sich vor uns über der Strait of Juan de Fuca ein besonderes Schauspiel: Dicke Nebelschwaden legen sich in affenartiger Geschwindigkeit über das Ufer, die USA sind nicht mehr zu sehen… „The Fog“. Huch! Nicht, dass da auch noch fiese Gestalten anwabern!