Wie gut, dass man das Zimmer in unserer Posada heizen kann! In der Nacht war es empfindlich kalt, auch morgens mit 7 Grad nicht wesentlich besser. Normalerweise misst man hier um diese Zeit 28, 30 Grad. Und jetzt ist es kälter als in Ushuaia. Und auf Feuerland regnet es nicht, hier schon. Wir frühstücken spät: Kaffee, Brot, Butter, Marmelade, schnappen uns Jacken und gehen einmal durch den kleinen Ort. Zu kalt, zu nass vor allem. Bloß nicht erkälten. Von unseren Freunden Sabine und Wulf hören wir, dass sie schwer gegen eine Grippe ankämpfen. Hoffentlich blüht uns nichts bei diesen extremen Temperaturschwankungen, denen wir uns auf dieser Reise aussetzen.
Erstmalig heizen wir das Auto, denn irgendetwas müssen wir ja machen, während das Zimmermädchen aufräumt und putzt: Nach La Viña wollen wir, immer auf der Straße 68, die auch ins Weingebiet rund um Cafayate führt. La Viña ist nur 30 Kilometer entfernt, also trödeln wir los. Die schöne Berglandschaft ist nur ganz selten und ganz kurz zu sehen, von der Cordillera wollen wir mal gar nicht reden. La Viña ist so kolonial, wie man es sich nur vorstellen kann. Allerdings unter keinerlei Schutz gestellt und entsprechend dem Verfall geweiht.
Am Ende des Ortes sehen wir ein großes, handgemaltes Schild, das offenbar auf eine Felskante und entsprechende Aussicht hinweist. Nur sieben Kilometer entfernt, also klar, dass wir gucken gehen. Was für eine Straße! Natürlich nicht geteert, aber holprig und stolprig wie aus dem Offroader-Traum. Kurvenreich dazu… Vor uns fährt ein blaugrüner Ford oder so, Juan: „Wenn der es kann, können wir es auch.“ Na, denn… Mal haben wir festen Sand, mal lose Steine unter den Reifen, niemals planen Boden. Als es auch noch durch eine Flussfurt geht, bin ich echt froh, dass der Blaugrüne vor uns durchs Wasser rauscht. Schaffen wir natürlich auch (Herz klopft, was will es?). Danach wird die Straße nochmals deutlich schlechter. Sogar ein paar Gauchos und ihre Pferde haben zu kämpfen.
Wir haben keine Ahnung, wohin der Weg uns wirklich führt, aber auch keine Möglichkeit, auf dieser engen Straße auf 1300 Meter Höhe zu drehen. Plötzlich fällt irgendwo weiter vor uns ein Schuss, Juan hat sogar das Mündungsfeuer sehen können. Huch?!? Dann hält er an: „Hörst du das?“ Ich drehe die Scheibe runter und höre etwas wie eine Predigt? Entlang des Wegs waren uns schon viele religiöse Zitate auf gelben Zetteln aufgefallen. Was wird das? Irgendeine schwarze Messe? Irgendetwas Religiöses? Genau das. In der Senke (keine Felsbruchkante, wie wir dachten) vor uns bietet sich trotz des trüben Wetters ein farbenfrohes Bild: Gauchos in traditioneller Kleidung zu Pferd, zu Fuss, Frauen und Kinder – mitten im Nirgendwo haben sich ein paar Hundert Leute zu einem Fest getroffen, hören Predigten und Musik, feiern. Wir nähern uns zwar ein bisschen an, mischen uns aber nicht unters Volk. Irgendwie stören wir. Niemand sagt etwas dergleichen, es ist mehr das Gefühl, dass wir hier nichts zu suchen haben. Also fahren wir unsere Holperroad wieder zurück.
Unterwegs gibt es in einem aasig kalten Restaurant eine Pizza (Empanadas sind die einzige Alternative) und ein Wasser, dann fahren wir im Regen wieder nach Coronel Moldes. Die Besitzerin der Posada friert wie wir und berichtet, dass es etwas höher schneit. Total verrückt. Also igeln wir uns mit unserem Pizzarest, zwei Alfajores mit Dulce de leche (Argentiniens Antwort auf die Prinzenrolle) und Wasser im geheizten Zimmer ein. Juan kämpft um andando, ich kritzel auf meinem iPad. Später wird einer von uns eine Flasche Wein holen. Ich glaube, das ist eine Aufgabe für einen Einheimischen 🙂