Eiskalt nach Coronel Moldes

Wetter schlecht, Tendenz fürs lange Wochenende: nicht sonderlich veränderlich. Weil Juan und ich am 12. Oktober 24. Hochzeitstag haben, feiert das ganze Land mit und macht überall die Pforten dicht. Columbus Day. Wir überlegen noch ein bisschen hin und her: Nein, wir hauen ab. Nach dem lausigen Frühstück besucht Juan noch mal für 200 seine Dealer-Freunde an  der Ecke, dann geht es los. Erst mal zu Nissan, weil zwei Lampen leuchten. Eine schon seit Mexiko, die andere neu, seit die Kiste gestern in der Werkstatt war. Vorbei am wunderschönen Konvent San Bernardo schlängeln wir uns durch die Stadt und sehen schon im Fenster: Nissan ist umgezogen. Zurückschlängeln durch die Stadt. Hier braucht man Mut zum Autofahren. Rechts vor links ist eine Theorie, losfahren die Praxis. Juan fährt, als habe er nirgendwo sonst jemals am Steuer gesessen. Kurzum: Nissan kann nichts machen, weil der Mann mit dem Computer eine Woche Urlaub hat. Na gut, dann werden wir es später in Jujuy (sprich: huihui) versuchen.
Erstmal machen wir uns auf den Weg nach Coronel de Moldes, einem Dörfchen in der Nähe des zweitgrößten Stausees Argentinien, Cabra Corral. Dort haben wir uns in ein über 300 Jahre altes Haus eingemietet und hoffen, dass im Laufe der Jahrhunderte ein bisschen zur Erhaltung getan wurde. Das La Casona de Moldes macht einen guten Eindruck, ist bei booking.com als exzellent bewertet und kostet 35 Euro die Nacht. Wir sind gespannt, machen aber noch einen Stop bei einer sehr modern wirkenden Tankstelle. Juan hofft auf gutes wifi, weil er noch eine Idee für andando hat, die er überprüfen will. Ich drücke die Daumen so sehr, dass das Weiße der Knochen durchscheint… Leider klappt es nicht, wir schreiben auch mal wieder an strato, vielleicht können die ja doch noch etwas tun.
Es ist kalt und doof, aber die Gegend, durch die wir fahren, ist wieder schön, mal ganz abgesehen vom Wetter. Unterwegs begegnet uns ein T3 VW Bully mit kalifornischem Kennzeichen. Wir grüßen kurz und fahren weiter. Viel Vieh, viel Landwirtschaft, dann trudeln wir in Coronel Moldes ein. Eine Kolonialstadt wie aus dem Bilderbuch! Lange vor der Ortsgründung im 19. Jahrhundert wurde die Finca gebaut, auf der wir wohnen wollen: 1684 stand sie ganz allein auf weiter Flur hier rum. Juan ist sie auf den ersten Blick zu klapprig, deshalb lügt er eine Frau, die den Garten kehrt, erst einmal an: nein, er habe keine Reservierung. Bei booking kann man ja bis 18 Uhr kostenfrei stornieren, also können wir noch vier Stunden rumgucken.
Das tun wir auch, fahren zur Cabra Corral, einem 12000 Quadratkilometer großen Stausee auf ca. 1000 Meter Höhe. Wir sehen farbenfrohe Felsformationen (Geologen würden wahrscheinlich freudig ihren Namen im Regen tanzen), die bei Sonnenlicht sicher leuchten, bewundern den See und die Brücke, essen in einem Restaurant mit großartigem Panoramablick. Aber es bleibt kalt und grau. Manchmal kommen ein paar Bergspitzen durch die Wolken, von der Cordillera aber ist noch nichts zu sehen. Auch in dem Restaurant gibt es Zimmer. Winzig klein, kein wifi, 650 pesos. Und völlig isoliert von der Welt. Ein Luxushotel am Deich scheidet aus, eine Posada ginge zur Not noch. Letztlich landen wir leicht durchgefroren doch wieder vor La Casona de Moldes, und natürlich ist es dieselbe Frau, die wir vorhin schon mal angetütert haben, der wir jetzt sagen, dass wir sehr wohl eine Reservierung haben. Sie zeigt uns unser Zimmer, das wirklich ganz nett ist. Aus einer Eingebung heraus frage ich, ob alle Zimmer gleich wären. Oh, nein! Sie könne uns auch noch ein anderes zeigen. Und das ist unseres, auf den ersten Blick! Jahrhunderte alte Fliesen auf dem Boden, ein offener, kleiner Kamin, tolles Bett, Tisch mit antiken, lederbezogenen Stühlen, Bad tipptopp – das ist schön! Sogar das Internet funktioniert halbwegs.
Was wir heute wieder alles gesehen haben. Ich schreibe ja immer nur einen Bruchteil dessen auf. Wie soll man die Felsen beschreiben, die kunstvolle Kanzen haben, deren Farben von hellem Gelb über intensives Grün zu tiefem Rot wechseln? Was soll man sagen beim Anblick dieser riesigen Seenlandschaft, die einem einfach nur die Luft nimmt? Es ist so schön hier, so einzigartig, dass man es kaum beschreiben kann.
Abends haben wir überhaupt keine Lust auf ein Restaurant. Juan stiefelt los, findet in einem Almacen eine gute Flasche Wein und in einem Restaurant eine Köchin, die vor seinen Augen Empanadas für uns füllt und backt. Festschmaus in unserer historischen Posada!

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