Ein Tag in Iquique

Im Jahr 1835 reiste Charles Darwin nach Iquique und beschrieb es als trostloses, heruntergekommenes Dorf, das selbst Wasser aus der Ferne einführen muss. Im Jahr 2015 sind wir in dieser Stadt an der nordchilenischen Pazifikküste angekommen. In unserem wunderbaren NH Hotel mit unverbaubarem Seeblick gibt es zwar Wasser in rauen Mengen (die beste Dusche auf der ganzen Reise bisher), dafür ist der Camenere ausgegangen. Aber in der Not behilft man sich mit einem Cabernet Sauvignon. Wir haben gestern keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Und beschlossen, noch einen weiteren Tag hier in Iquique zu bleiben.

Nach dem Frühstück geht’s los Richtung Stadt. Über uns eine große Wolke, aus der gerade ein Paraglider schwebt. Er muss einen phantastischen Blick über das Meer und die Strände haben. Wir gucken uns das Ganze von unten an. Ratsam ist es, hier immer einen Blick nach unten zu werfen, damit man nicht ganz aus Versehen in einem der riesigen, offenen Löcher in der Kanalisation verschwindet. Oder sich den Hals bricht, weil Hitze und Erdbeben üble, manchmal schwer sichtbare Schwellen aufgeworfen haben. Fünf Stunden laufen wir fast immer am Wasser entlang, gucken uns die schönen Strände an und beobachten Surfer, die allerdings alle im wet suit unterwegs sind. Der Pazifik ist hier noch ordentlich kalt. 

Es ist schwül in der Stadt. Zwar mit um die 20 Grad nicht sonderlich warm, aber es würde uns überhaupt nicht wundern, würde es bald regnen. Tut es aber mit größter Wahrscheinlichkeit nicht. In Iquique regnet es, wenn überhaupt, nur tröpfelig im November und Dezember. Die Küstenstadt liegt eben mit einem Bein in der Wüste.
Zu sehen gibt es eigentlich außer dem Ozean kaum etwas. Ein paar Hochhäuser säumen das Ufer, aber so richtig von Belang sind die auch nicht. In der Haupttouristenstrasse im historischen Viertel findet sich ein bisschen heruntergekommene englische Architektur aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Man würde sich nicht wundern, käme hier ein Grüppchen englischer Fräuleins in Taftkleidern um die Ecke. Tatsächlich sind es junge Menschen in adretten Schuluniformen, die sich hier treffen. Einige der Häuser sind inzwischen denkmalgeschützt, damit künftige Generationen noch den Wohlstand erahnen können, der diese Stadt während des Salpeter-Booms im 19. und frühen 20. Jahrhunderts  berühmt gemacht hat.
Der Baustil, der damals Iquique eroberte, war neu für Chile. Hölzer aus Kanada und den USA wurden verwendet, die auf den großen Salpeterschiffen auf dem Rückweg aus der Alten Welt transportiert wurden. Die zweistöckigen Häusern und Villen wurden vor allem im georgianischen Stil mit Terrassen, Balkonen, Säulen und Veranden konstruiert. Neben ein paar Schulen haben sich dort heute Hostels, Restaurants und Reisebüros eingerichtet. 

Mit Sorge sehen wir überall in der Stadt Schilder, die im Falle eines Falles vor Tsunami-Wellen warnen. Erdbeben, Seebeben mit anschließender verheerender Welle – damit wird hier einfach gelebt. Ist man Hinweise darauf – wie wir – nicht gewohnt, guckt man schon mal genauer Richtung Meer. 
Am Meer auf Felsen und bei den Fischern sehen wir zum Glück nur Pelikane und Kormorane. Bisher haben wir noch keinen Delfin, keinen Wal gesichtet. Aber das kann ja noch kommen.
Wir immer sind wir ganz begeistert von den Pelikanen, die in großer Kolonie auf ein paar Felsen hocken. Salpetriger Geruch mischt sich mit der Meeresbrise. Früher haben hanseatische Kaufleute wie die Slomans (Chile-Haus, Hamburg) ihren Reichtum auf dem Import von Salpeter nach Deutschland begründet. Dieser Geschäftszweig hat sich mit der Entwicklung chemischer Düngemittel dann erledigt. Der einst neben Antofagasta wichtigste Salpeterhafen Chiles hat an Bedeutung verloren, die Stadt ist nun Industriezentrum mit fisch- und erdölverarbeitenden Betrieben. 
Mittags gibt es Fisch in einem peruanisch-japanischen Restaurant. Die Nähe zu Peru ist überall spürbar. Restaurants, Boutiquen, alles möglich wird aus dem nördlichen Nachbarstaat angeboten. Wir sind nach wie vor nicht daran interessiert, irgendetwas zu shoppen, aber verarbeiten unseren langen Spaziergang, in dem wir ein Taxi ins Hotel schnappen. Die Fahrt dauert ungefähr 20 Minuten und kostet weniger als 2000 Pesos, also weniger als 2,60 Euro. 
Das einzige, das wir heute noch aktiv verfolgen werden, ist der Sonnenuntergang. Mal gucken, ob sich die Wolken noch rechtzeitig davonmachen …

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen