Anrufe Reifen und Fiesta in Salta

Was für ein Tag in Salta! Grauchen hat vier neue Reifen von Pirelli bekommen und müsste jetzt vielleicht Griselli heißen. Während Juan sich um das Auto kümmert, laufe ich bei trübem Wetter und um die 18 Grad durch die Stadt. Ein Museum of Modern Art zieht mich an, aber in Wirklichkeit haben die gar nichts. Eher eine minderwertige Galerie. Deshalb gucke ich mir lieber gleich die Kathedrale von innen an. Pompös, schön und fast wäre ich rausgeflogen, weil man während des Gottedienstes, der gerade abgehalten wurde, keine Fotos machen darf. Kann ich ja nicht wissen. Aber einen Schnappschuss von der Schlange vor dem Beichtstuhl bekommt man ja auch nicht jeden Tag. Hier wird überall und für alles Schlange gestanden. 
Ich gucke und höre ein bisschen zu, dann bin ich wieder an der Luft. Fußgängerzone. Mich reizt hier nichts, außerdem finde ich, dass relativ viele Menschen unterwegs sind. Also verzieh ich mich für 20 Pesos Eintritt in den historischen Cabildo aus dem 18. Jahrhundert, der seit einem halben Jahrhundert das Historische Museum des Nordens beherbergt. Ganz interessant, aber nicht wirklich überwältigend. Ein paar Artefakte, Gemälde, Kutschen. 
Aber dann höre ich plötzlich ganz viel Rumtata. Was ist denn auf dem großen Platz vor der Tür los? Ich stürze raus und sehe eine Kapelle mit Glitzer und Tschingderassa, dann erst ein paar Pferde, schnell die dazugehörigen, feingemachten Gauchos. Auf meine Frage erklärt mir ein netter Herr, dass das die Vorbereitung für den pintoresken Wachwechsel sei, der dienstags, donnerstags und samstags immer um 12 Uhr mittags durchgeführt werde. Da habe ich ja richtig Glück. 
Schade, dass Juan das nicht sehen kann. Zu Fotos entstehen deshalb auch ein paar Videos. Natürlich ist das alles sehr touristisch, aber gut gemacht. Ganz anders als die Jungs vorm Buckingham Palace oder in Kopenhagen sind diese hier ansprechbar, fröhlich, stolz wie Oskar, dass sie dabeisein dürfen. 
Die Kapelle spielt, die Gauchos reiten, zwischendurch kläffen ein paar Hunde vor Schreck über das Theater – und ich stehe auf dem Balkon des Museums, weil das ein super Platz ist. Eine halbe Stunde großes Kino. 
Juan wartet sicher schon auf mich. Drei Treffpunkte haben wir ausgemacht: Zimmer (geht nicht, ich Tropf habe den Schlüssel mitgenommen), Bibliothek des Hotels oder das Cafe van Gogh am Platz. Juan ist nirgendwo. Wir sind tatsächlich im Hotel aneinander vorbeigefahren. Wie schön, dass es whatsapp gibt, wir finden uns also wieder. 
Mittags essen wir in einem Hinterhof ein paar Empanadas neben zwei ganz aufgeregten Chinesinnen, die fürchterliche Angst vor Tauben haben. Und was machen sie? Werfen den Vögeln auch noch Brot zu, kreischen dann aber los, als sich die ganze Taubenkolonie einfindet.
Nachmittags muss Juan mit dem Auto noch mal in die Werkstatt, weil irgendetwas, das ich nicht verstanden habe, noch ausgetauscht werden muss. So Kunstoffteile, grobe Richtung Motor, die ein bisschen wie eine Ziehharmonika aussehen. Dafür müssen die Vorderreifen wieder abgebaut werden. Und dann ist die Kiste wieder wie neu, heißt es. Wie schön. Den Nachmittag vertrödeln wir, bis die Werkstatt wieder öffnet.
Salta mit einer halben Million Einwohner ist eine wirklich schöne, quirlige Stadt. Die ganze Innenstadt ist fast wie ein Museum. Man muss sich nur um sich selbst drehen. Sehr schön!

Bereits morgens in der Kathedrale ist mir aufgefallen, dass es hier ausgesprochen viele behinderte Menschen gibt. Rollstühle, Krücken, alles mögliche… Hintergrund dafür ist eine Heilerin namens Maria, die seit 25 Jahren Gläubige aus ganz Argentinien, zum Teil auch aus der ganze. Welt, anzieht. Uns wird erzählt, dass die Busse sogar aus Ushuaia kommen, aus Feuerland! Über 4000 Kilometer, um die Frau zu treffen, die vielleicht Wunder wirkt.

Jeden Samstag reisen Tausende nach Salta, denn nur an diesem Tag empfängt die Heilerin kranke Menschen.Maria Livia war vor ihrer ungewöhnlichen Entwicklung eine normale verheiratete Hausfrau mit drei Kindern, als 1990 in übernatürlichen Manifestationen zum allerersten Mal die Heilige Jungfrau zu ihr sprach. Nach dieser ersten luminösen Erscheinung, als ihr die Heilige Jungfrau als strahlend schönes 14-jähriges Mädchen erschien, wurde Maria Livia in der Folgezeit dann fast täglich aufgesucht. Fortan wurde sie instruiert und intensiv vorbereitet, damit sich die Göttliche Absicht erfüllen konnte. Fünf Jahre lang hielt Maria Livia rigorose Stille ein, eine Periode spirituellen Wachstums und profunder innerer Vorbereitung. Eine innere Pilgerschaft, ohne menschliche Störungen, in der Stille geführt von der Heiligen Jungfrau und von Gott. 10 Jahre nach der ersten Erscheinung, nachdem sie erstmals diese wunderschöne Stimme gehört hatte, kam dann die Bitte der Heiligen Jungfrau, ein Sanktuarium auf einem erhobenen Platz zu errichten – „damit sich erfüllt, was ich zu enthüllen habe.“ Jeder stimmt sich auf seine Weise auf die Begegnung mit Maria Livia ein. Diese ist in ihrer stillen, unaufdringlichen Art unermüdlich im Einsatz. Wie jeden Samstag wird sie alle, die gekommen sind, voller Mitgefühl und mit der gleichen intensiven Zuwendung empfangen, ohne eine Spur von Erschöpfung. Es ist oft nach 22 Uhr und bereits kühl, wenn Maria Livia mit einem Gebet diese zutiefst berührende Arbeit beschließt, die jedes Mal zahlreichen Menschen Heilung an Körper, Geist und Seele bringen wird.

Viele der Kranken sind also jetzt schon da und warten auf den Samstag. 60, 70 doppelstöckige Busse werden noch erwartet. Am folgenden Wochenende macht Maria Livia eine Pause: die katholische Kirche feiert etwas Offizielles. Und da man Konflikten ausweichen möchte, hat man sich darauf geeinigt, dass die Heilerin an Tagen katholischer Veranstaltungen, so sie denn auf den Samstag fallen, nicht in Konkurrenz tritt.

Der Nachmittag ist leider verregnet und kühl. Wir laufen los, um das Auto aus der Werkstatt zu holen und entdecken dabei, dass die Markthalle geöffnet ist. Neben den unterschiedlichsten Lebensmitteln gibt es hier auch Hausrat und Folkloristisches. Kaum haben wir alles gesehen, holen wir auch schon das Auto und fahren direkt in die Garage an der Plaza. Das Platzkonzert einer Polizei-Kindertruppe hören wir uns von unserem Zimmer im 3. Stock des Hotels Colonial an, an den Marktständen auf der Plaza huschen wir nur vorbei. Abends treffen wir eine kleine Fehlentscheidung und gehen in das Restaurant in der Buenos Aires, das wir gestern schon mal ausgeguckt hatten. Es ist teurer als die Parrilla vom Vorabend, dafür lange nicht so gut. Macht nix. Wir überlegen, ob wir noch eine weitere Nacht in La Linda bleiben. In unserem Hotel gibt es noch Platz, aber wir müssten die Zimmer tauschen…

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen