Es gibt erstaunlich viel zu sehen in dieser wildromantischen Ecke der Welt. Natürlich gucken wir uns gründlich um.
Theoretisch könnte man bei 16,17 Grad irgendwo einsam und allein in den jütländischen Dünen liegen und den Gezeiten zusehen. Wasser kommt, Wasser geht – faszinierend.
Dazu ist der Strand nahezu menschenleer. Stundenlange Spaziergänge sind überhaupt kein Problem. Manchmal sieht man am Horizont ein, zwei Menschen oder einen mit den Wellen spielenden Hund, meistens aber hat man nur mit sich allein zu tun. Ist ja auch mal schön. T-Shirt, Steppweste und Shorts reichen als Klamotte, Schuhe sollten unbedingt bequem sein. Etwas Platz im Täschchen oder Rucksack? Gut für eine Regenjacke, denn hier ändert sich das Wetter so schnell wie die Meinung von Politikern in Talkshows.
An einigen Abschnitten der Nordsee-Küste kann man mit dem Auto auf den Sand rollen. Das ist nichts für Amateure. Die Profis wissen genau, wann das Wasser wieder da ist. Einige feine Autos hat sich die Flut schon von Doofies geholt. Bei Ebbe am Strand findet man ziemlich sicher Angler, die bis zu den Knien in der 16 Grad kalten Nordsee stehen und einen verdammt glücklichen Eindruck machen. Erst hielt ich sie für fly fisher, aber hier fliegt nichts. Sie stehen da, den Blick aufs Meer, und warten. Steigt das Wasser hoch, schnappen sie Ruten und Kram und kommen zur nächsten Gezeit einfach wieder. Der Rhythmus des Lebens kann hier so einfach sein.
Wir haben uns ein bisschen am Ringköbing Fjord umgeguckt. Er ist mit 300 km² Fläche der größte Küstensee Dänemarks, etwa 30 km lang, 12 km breit und durchschnittlich nur 1,5 m tief, was Windsurfer und Kiter anzieht. Der Fjord wird durch die 30 km lange und an der schmalsten Stelle nur wenige hundert Meter breite Nehrung namens Holmsland Klit von der offenen Nordsee getrennt. Bevor wir über die Nehrung fahren, brauchen wir Nahrung.
Direkt am Hafen von Ringköbing gibt es knackfrisches Fischfilet mit Pommes, die mit eiskaltem Øl (Bier) runtergespült werden. Überraschung aus Salzburg: Veronika Habich schreibt, dass unser Buch Südamerika nun als Hörbuch im Handel ist. Veronika hat es professionell gesprochen, der Verlag audio-4-you sich um alles weitere gekümmert – und ich freu mich einfach.
In Tarm sind wir shoppen bei Lidl und Aldi, in Bark neugierig auf die Fischer. Das Meer ist immer im Hintergrund zu hören. Astrid Lindgren hat sich den Ort Bullerbü ausgedacht: Puschelig, gemütlich, ein Traum für Kinder und Erwachsene. Aber Bullerbü ist für Schweden vergeben, hier an der dänischen Nordseeküste gibt es dafür etwas eigenes. Hyggeby oder so…?
Wir sehen uns karge, unspektakuläre Kirchlein ein und befinden uns mitten in der Welt von „Babettes Fest“ (Pflichtfilm für alle Skandinavienfans und anderweitige Gourmets). Man grüßt sich auf den Wegen, und irgendwie zaubert dieses Dänemark Lächeln. Kaum jemand guckt muksch (norddt: beleidigt) aus der Wäsche, selbst Fahrradidioten wie ich vergessen ihr Unvermögen und juckeln glückselig durch die Gegend.
Plötzlich erschrickt man, wenn in idyllischer Natur Schüsse fallen: Das Militär übt, und die Heide sieht manchmal aus wie der Nato-Truppenübungsplatz in Bergen-Hohne. Aus versehen sollen die Panzerjungs auch schon mal ein Ferienhaus zerlegt haben, heisst es. Aber was das Militär kaputtmacht, wird stillschweigend repariert. Jedenfalls hier im idyllischen Jütland.
Damit die Kultur keinen Schaden nimmt, haben wir uns heute das Naturschutzgebiet Filsø angesehen. Hierbei es gelungen, eine landwirtschaftliche Fläche zu renaturieren. Der entstandene See, dessen Existenz bis zu den Wikingern zurückverfolgt werden konnte, ist heute wieder Heimat und Brutgebiet zahlreicher Vögel. Sogar Adler haben sich niedergelassen. Auch Bieber & Co sind heimisch geworden. Bemerkenswert ist – wie sooft in Dänemark – wie gut diese Gebiete bebaut und ausgeschildert sind. Alles fügt sich harmonisch in die Natur ein.
Das tun wir auch bei einem langen Spaziergang durch einen Eichenwald, der speziell ist: Eigentlich waren die Bäume tot, zugeweht vom feinen Sand der allgegenwärtigen Dünen. Doch sie haben sich durch die Sandschicht gekämpft und zu einem zauberhaften Wald entwickelt. Durch den marschieren wir zu einem Aussichtspunkt, haben uns aber erbärmlich in der Entfernung verschätzt. Knapp zehn Kilometer sind wir insgesamt auf den Socken, werden aber nach endloser Treppe auf einer Anhöhe durch einen grandiosen Blick auf Meer, Dünen und Heide entschädigt. Dass wir auf dem Rückweg irgendwo falsch abbiegen, was zu hektischem Herumirren und einigen Kilometern Umweg führt – geschenkt. Schon wieder ein Traumtag. Das zählt.
Ob wir heute nach diesem ebenso schönen wie anstrengenden Marsch auf dem Golfplatz landen, wage ich fast zu bezweifeln.