Vom Binnenland wieder an die Küste

Das Périgord hat uns sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Die grossartige Natur, putzige Orte, weiter Felder und enge Schluchten. Und überall extrem freundliche Menschen. Dennoch kann man ja nicht immer hierbleiben. Das nächste Ziel: St. Émilion. Die Fahrt ist schön, aber bei weitem nicht so atemberaubend wie das, was hinter uns liegt. Das ändert sich erst, als wir die riesigen Weinfelder durchfahren. Was für Anblicke! Es reiht sich Schloss an Schloss. Und man muss nicht einmal ein Schlösschen haben, um sich „Château“ aufs Etikett zu drucken.

 

Einige der Grand cru-Schlösser kommen uns bekannt vor, von anderen haben wir noch nie gehört, sind aber sicher, dass der eine oder andere Sommelier Schwindelanfälle vor Glück bekommt. Was wir kennen, sind St. Émilion-Weine. Deshalb ist dieser Ort, der Weltkulturerbe ist, auch unser erster Anlaufpunkt. Wir werden hier nicht wohnen, weil jede noch so hutzelige Unterkunft brandteuer ist. Eine weise Entscheidung. Weniger wegen des Geldes, als wegen des Ortes. Wenn Sarlat im Périgord schon touristisch ist – was ist denn das? Weinläden, Weinläden, Weinläden. Touristen, die sich das Gesöff gleich kistenweise ins überseeische Zuhause schicken lassen, andere, die die steilen Gassen mit ihren schweren Trophäen hinaufhechten. Oh. Wer nicht säuft, kauft Krempel. Von den berüchtigten Kühlschrankmagneten über gebrandete Gläser bis zur gefaketen Weinkennerschürze: Es ist alles da. Apropos: Wir sichten das erste kleine Chinesen-Grüppchen. Langsam kommen sie wieder an die Hotspots. Nur wir nicht: Wir hauen ab. Atmen die Luft in Weinbergen, gucken die Kirche von Pomerol an und nehmen langsam Kurs auf Libourne, unsere neue Heimatstadt für zwei Nächte. Alles wie beschrieben, nur tinyer als ein tiny house. Mit knarrender steiler Treppe ins Oberstübchen. Naja, manchmal greift man eben daneben.

 

An Tag 2 sehen wir noch viel mehr Wein, einige schöne Uraltbauten, mal ein Château, mal eine Rumpelbude. Libourne, gelegen an der Mündung von Dordogne und Isle in die Gironde ist so belanglos, dass ich mich gerade wundere, den Namen nicht sofort vergessen zu haben.

 

Nach unseren üppigen Ausflügen ins Land der erstklassigen Weine steht uns der Sinn nach Flucht. Es dürfte gern wieder mal das Meer sein. Der Weg an die Küste der Bretagne scheint uns über Landstrassen zu weit, deshalb fahren wir mindestens bis Nantes Autobahn. Mit 22 Euro übrigens deutlich günstiger, als wir vermutet hatten. Dafür kaum etwas los – gemütliches Fahren bei freundlichem Wetter. Wollten wir eigentlich mal wieder nach Nantes gucken, entscheiden wir, doch noch weiter zu fahren. Nach vielem Hin und Her und Besichtigung einiger gruseligen Buden bleiben wir mittenmang der Bretagne in Ploërmel im Hotel Saint Marc. Hauptgrund ist, dass es dort auch gleich ein Restaurant gibt. Keine Lust mehr aufs Auto.

 

Für extrem günstige 65 Euro schickt uns der reizende Rezeptionist in den zweiten Stock. Wieder eine steile Treppe, belegt mit räudigem Teppich. Man möchte sich wirklich nicht vorstellen, was passierte, wenn hier jemand seine Gauloise luschig austritt… Ab 7 ist das Restaurant geöffnet. Wir sind fast pünktlich. Es gibt einen Salar mit Serranoschinken und lauwarmem Entenfleisch, anschließend ein Fischchen für Juan, ein Schweinchen für mich. Als Dessert Creme brulée, resp. en Eis von normannischem  Nougat. Der offene Rotwein ist ebenso gut wie der abschließende Calvados, der so geschenkt wurde wie einst ein Spanien. Richtig, richtig gut!

Das Frühstück im Saint Marc schenken wir uns. Leider ist es früh morgens mit 13 Grad und grauem Himmel noch ungemütlich. Mal sehen, was Ploërmel ausser der imposanten Kirche zu bieten hat. Oh, nichts! Wenigstens gibt es irgendwo einen Kaffee. Wir reisen bei aufklarendem Himmel quer durch die Bretagne nach St. Brieuc. Auf dem Weg haben wir manchmal das Gefühl, in Schleswig-Holstein zu sein. Dann fahren wir an fast weissen Kühen vorbei. Aha. Doch Frankreich.

 

Unser Ziel für die nächsten drei Tage: Paimpol, ein wunderbarer Hafen- und Fischort am Meer. Juan hat hier ein vielversprechendes Apartment direkt am Wasser gefunden. Doch Landlord Claude muss noch einen Moment warten. Wir haben Hunger. Waren wir in diesem Restaurant auch schon mit Hinnis? Vor drei Jahren am Markttag? War es nicht dieses, war es eines nebenan. Wir essen das Mittagsmenu: Salat mit Melone, Fisch auf Kohl, Profiteroles. Ein Schlückchen Weisswein dazu.

 

Ein paar Häuser weiter finden wir die gut getarnte Schlüsselbox von Claude. Und dann stehen wir Minuten später in unserem Apartment: ein Traum! Hell, ohne Schnickschnack eingerichtet, von überall direkten Blick auf den Hafen. Wir sind schockverliebt.  Claude ist zwar selbst nicht da, begrüsst uns aber mit einer Flasche Cidre, Wasser und Keksen. Entzückend. Unser Vermieter kennt sich offenbar mit Reisen aus. Überall Steckdosen, pflegeleichte Oberflächen, bequeme Möbel. Wird nicht einfach, im weiteren Verlauf unserer Reise etwas Adäquates zu finden. Aber egal, erst einmal bleiben wir fröhlich in Paimpol kleben.

 

Hier in der Bretagne, vor allem aber „nebenan“ in der Normandie ist dieser Tage viel los: 80. Jahrestag des D-Days am 6. Juni, mit dem quasi das Ende des 2. Weltkrieges eingeläutet wurde. Entsprechend dem Anlass kommen Biden, Klnig Charles, Scholz und viele viele mehr, um mit Gastgeber Macron zu gedenken. Das hat natürlich Sicherheitsvorkehrungen zur Folge, die uns schön weit weg von Omaha Beach hält. Wenn wir in der Normandie anlanden, ist die hohe Politik hoffentlich ebenso verschwunden wie die zum Anlass erhöhten Preise. Dann können wir uns gemütlich um 150 Jahre Impressionismus kümmern, die in diesem Jahr überall befeiert werden.

 

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