Weihnachten

Heiligabend endet nach Rinderschmorbraten und „pretty woman“ auf Spanisch im Wesentlichen mit einem riesigen Feuerwerk und Böllern, von denen sich einige verdächtig nach Gewehrschüssen anhören. Noch eine Party, bevor es am 25. traditionell ein bisschen familiärer zugeht.

Morgens halb zehn haben wir schon 25 Grad. Strahlender Sonnenschein, knallblauer Himmel. Eher halbherzig auf der Suche nach einer offenen Bar schlendern wir durch San Telmo. Menschenleer. Kaum Autos oder Taxen, nur ab und zu mal ein collectivo, also ein Bus. Und natürlich alles zu. Also wird zuhause gefrühstückt. Toast und Schinken, Kaffee. Mittags sind wir eingeladen.

Schon auf den Weg zur Bushaltestelle rinnt der Schweiß, wohin er will. Es ist richtig, richtig heiss. Wir fahren zum Retiro, dem Hauptbahnhof, und erwischen sofort einen Zug nach Suarez. Zum Glück ist der klimatisiert… Wir zahlen nix, denn Rentner fahren an Sonn- und Feiertagen gratis 🙂

Das Drama beginnt eine halbe Stunde später in Villa Ballester. Auch hier kein Taxi, keine Remise weit und breit. Dafür aber heiß, heiß, heiß … Wir fragen hier und da, finden endlich nach einigen Kilometern (vielleicht auch nur zwei) ein Remise-Unternehmen. Das sind Privatwagen, die zu einem relativ festen Satz den Transport übernehmen. Die Wagen sind auch da, aber die Fahrer fehlen… Wartezeit Minimum eine Stunde. Es ist bereits viertel nach eins, wir hätten theoretisch vor einer Viertelstunde bei Ana und Ruben sein müssen. Stattdessen schlecht gelaunt auf menschenleerer Straße in Villa Ballester…

Natürlich gelingt es auch Ana nicht, einen Wagen zu schicken – niemand geht irgendwo am Weihnachtstag ans Telefon. Sie beschreibt uns den Weg zur Haltestelle des collectivos. Also wieder los durch für Hitze. Durchgeschwitzt, wie wir sind, sollten wir dringend Kilmaanlagen meiden – wir würden uns den Tod holen. Ich sehe auf dem Kopf mal wieder aus, als hätte jemand einen Eimer Wasser über mich gekippt. Hätte er mal bloß… Wir schleppen uns zum Bus, dann – oh Weihnachtswunder – biegt ein Taxi mit leuchtendem „libre“-Schild um die Ecke. Wir können unser Glück kaum fassen. Natürlich muss der Fahrer erst noch etwas beim Kiosk einkaufen – geschenkt! Er bringt uns vor für Tür von Ana und Ruben.

Juans Schwester ist schon ganz genervt, ihr Bruder auch… Wir lassen uns von der großen, schwarzen Hündin überfallen und kommen bei einem großen Schluck Wasser endlich an. Ana hat sogar ein Bäumchen – ich fasse es nicht! Dann gibt es zu Gesprächen über die Welt an sich und die Politik in Argentinien im Besonderen eine hervorragende Guacamole mit vernünftigem Knoblauchanteil als Vorspeise zu richtigem Brot, gefolgt von einem Rinderschmorbraten und Ofenkartoffeln. Dazu einen Carmenere – alles sehr, sehr gemütlich. Für mich etwas anstrengend, weil sich die Gespräche hin und her kreuzen, aber auch der Meine ist gestresst. Wir sind ja doch eher Schweiger…

Selbstverständlich gibt es auch am späten Nachmittag keine anderen Verkehrsmittel außer Bussen. Ana fährt mit bis Suarez, da steht tatsächlich schon unser Zug. Winkewinke – und los zurück aus der Provincia in die Capital. Kurz vor sieben sind wir zuhause und fix und fertig. Schuhe aus, Füße hoch, atmen. Ein und aus.

Nach ein, zwei Stunden haben wir uns natürlich berappelt. Keine Lust auf Reste, also schlendern wir ins Dorf, das langsam ebenfalls wieder zu sich kommt. Wir essen nur noch ein paar Empanadas, trinken ein eiskaltes Bier und freuen uns über das kunterbunte Völkchen, das unterwegs ist.

Auf dem Weg nach Hause schlagen wir noch einen weiten Bogen. Freddo heißt das Ziel, eine der zahlreichen Eisdielen. Die Argentinier sind verrückt nach Eis. Es wird wie bei uns in Tütchen oder Bechern verkauft, die beliebtesten Geschmacksrichtungen decken sich mit unseren Vorlieben: Bitterschokolade und Dulce de Leche. Zum Niederknien! Neben den üblichen Mengen verkauft man das Eis hier auch nach Gewicht. Und per Kurier. Man kann noch mitten in der Nacht ein Zwei-Kilo-Portiönchen direkt nach Hause bestellen… Wir gönnen uns ein halbes Pfund und löffeln die Box gemütlich zuhause aus. Ist ja Weihnachten. Statt Marzipan…

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen