Ein schöner Tag! Blauer Himmel, 24 Grad, genau richtig für einen Ausflug. Heute Abend ordnen wir dann, was wer aus unserem Gepäck bekommt, denn das Auto muss leer aufs Schiff.
Nach einem kleinen Spaziergang und Frühstück mit unterdurchschnittlichen Medialunas fahren wir die letzten Kilometer zum Retiro mit dem Bus. Im Hauptbahnhof wartet schon der Zug nach Tigre. Eine Stunde lang fahren wir erst durch die Stadt, dann durch die Provinz, vorbei an tristen Armenvierteln, gepflegten Golfplätzen, dem Wohnhaus des Präsidenten und dunklen Fabriken. Dann sind wir am Ziel:
Tigre grenzt direkt an das Delta des Río Paraná, der etwa zehn Kilometer von der Stadt entfernt in den Río de la Plata mündet. Dadurch ist dieser Ort und seine Umgebung zu einem beliebten Naherholungsgebiet für die Einwohner von Buenos Aires geworden. Auf den Inseln des Deltas befinden sich zahlreiche Clubs, Sportanlagen und Restaurants. Außerdem hat Tigre einen bekannten Markt, unter anderem für Möbel und lebende Tiere, sowie einen Vergnügungspark, den Parque de la Costa, eine merkwürdige, aus einem riesigen Haus bestehende Chinatown und vieles mehr.
Seit über einem Jahrhundert sind hier Wassersportvereine anzutreffen, früher auch der Ruderclub „Teutonia“, in dem sich Juans Eltern vor vielen Jahrzehnten amüsiert haben. Den finden wir ebenso wenig wieder wie andere Aha-Punkte, die an unseren Besuch vor über 20 Jahren erinnern könnten. In Tigre ist vieles neu, schick und vielleicht ein bisschen zu glatt.
Wir gehen den touristischen Weg und machen eine zweistündige Bootstour durch das Delta. Das ist wirklich sehenswert! Luxusvillen, Papphütten, abgesoffene Kähne, Luxusjachten. Und viel Schiffsverkehr, denn das Delta ist nur über Wasserwege zugänglich. Sogar der Schulbus ist ein Schiff, ebenso der Supermarkt und das ärztliche Wartezimmer. Hatten wir anfangs Bedenken, zwei Stunden auf dem zweistöckigen Katamaran gefangen zu sein, zerschlagen sich diese Gedanken bald, weil die Tour so interessant und von einer Lady auch noch gut erklärt ist. Zwar nur auf Spanisch, aber die meisten an Bord sind ohnehin Touristen aus dem Land.
Die anschließende Tour durch den Chinatown-Komplex geht fix, weil wir nichts Aufregendes finden. Nicht einmal auf dem Foodcourt, obwohl wir Hunger haben. Also ein Empanadas-Snack in einer Bar und zurück nach Buenos Aires.
In unserer Wohnung ereilt uns ein Schock: Wir können das Auto ohne Francis weder in den USA, noch in Kanada versichern. de iure gehört dem Typen die Kiste in Kanada noch genauso wie hier in Argentinien. Wir spüren ihn per Messenger in Paris auf. Für ihn ist es fast elf Uhr abends, aber in Vancouver kann man noch zwei Stunden bei den entsprechenden Stellen aktiv werden. Wir haben alles vorbereitet und schicken ihm sämtliche Informationen, die dir aus Vancouver und den USA haben.
Leider ist der Franzose dermaßen langsam und versteht auch nicht, was man ihm schreibt und sagt – wir sehen schwarz. Zwar telefonieren wir noch mehrfach mit ihm, aber irgendwie versteht er das Problem noch nicht: Er muss aktiv werden, die Versicherung für das Auto erneuern. Tut er es nicht, können wir damit auch nicht nach Nordamerika. Hätte er vereinbarungsgemäß umgemeldet, hätten jetzt die Holländer die Kiste. Hat er aber nicht. Und sieht auch nicht wirklich ein, warum er was machen sollte. Ob er an diesem Freitagabend so richtig beieinander ist – ich habe Zweifel.
Nachdem die Büros in Vancouver geschlossen sins und Francis mich über Messenger anmault, gehen wir gegen halb elf etwas essen. Die Parrilla in San Telmo ist auch zu dieser späten Stunde noch bis auf den letzten Platz besetzt. Durch Tischerücken werden zwei Stühle für uns bereitgestellt. Das Essen ist gut, der Malbec auch, aber die Gedanken schweifen immer wieder zurück. Was machen wir bloß mit unserem Autochen?