Tallinn im Aufbruch

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Das Hotel ist rappelvoll, das Personal in der Cafeteria erbarmungslos: Mit dem zehnten Gongschlag werden Frühstücksbuffet geräumt und Kaffeemaschinen ausgeschaltet. Muss ja alles seine Ordnung haben.

 

Wir haben einen Plan, wollen auf den „Balti Jamaa Turg“, einen der großen täglich stattfindenden Märkte in Tallinn. Der liegt ein bisschen außerhalb der Altstadt, also bringt uns ein Bolt-Taxi bis vor den Eingang.

 

Die tollsten Beeren der Saison werden angeboten, Pilze, vor allem Pfifferlinge, Obst, Gemüse, Kartoffeln. Es duftet nach Kräutern und Himbeeren, nach den so aromatischen Walderdbeeren und erdigen Schwarzwurzeln – großartig!

In den Hallen des erst 1993 eröffneten Marktgeländes gibt es neben einem Supermarkt im Souterrain Fleisch, Käse und Fressbuden im Erdgeschoss, Klamotten, Olles und Antikes in der Bel Etage. Die Preise der Antiquitäten sind denen in Deutschland ähnlich, auffällig sind die zahlreichen Militaria und viel verstaubtes Glas. Und Trödel. Viel Trödel.

Auch wenn wir wie so oft nichts gekauft haben, lohnt sich der Ausflug. Allein die Gesichter! Und die Hüte! Und, und, und…

 

Draussen fängt es gerade etwas an zu nieseln, aber das stört uns nicht weiter: Wir gucken uns Cafés an, die in alten Zugwaggons untergebracht sind, bestaunen halb verfallene Fabriken und üppige Murals. Und plötzlich befinden wir uns wieder in einer anderen Welt. Der der Kunst und der Kleinkunst, des Designs und des Handwerks. Untergebracht in neuen, tollen Häusern oder in halb verrotteten Fabriken, über die ein Eimer Farbe gekippt wurde.

 

Uns fasziniert die Aufbruchstimmung, die hier offenbar bei jungen, kreativen Leuten herrscht. Neben schmuddeligen Kneipen aus Russenzeiten sind wilde Clubs entstanden, ein super modernes Fotografiemuseum kuschelt mit Weinhandlungen in alten Spelunken.

 

Telliskivi heißt das kreative Viertel, in dem sich die Szene trifft, es Konzerte und jeden Sonnabend einen Flohmarkt gibt, der uns leider entgangen ist. Die junge Musikszene Estlands etabliert sich hier, Ton- und Tattoostudios teilen sich Gebäude, junge, progressive Mode entsteht neben großen Flächen mit Second Hand Klamotten. Sehr spannend, sehr sehenswert.

 

Nach dem Markt in Telliskivi haben wir keine Lust mehr auf den Centralmarkt, der auf der anderen Seite der Stadt in einer neuen, gesichtslosen Halle untergebracht ist. Wir trödeln lieber wieder in die Altstadt zurück.

 

Was wir hier in Tallinn zu Fuß an Kilometern abreißen, ist nicht schlecht. Entsprechen knarzen Knochen und Gelenke manchmal bockig. Um sie zu beruhigen, machen wir eine Pause beim Aperol Spritz etwas abseits vom Schuss. Viele Finnen sind unterwegs. Wie Juan beobachtet, auch und vor allem in den riesigen Schnapssupermärkten. Es wird nur kistenweise eingepackt, was über die See nach Helsinki mit muss.

 

Ähnlich wir wir es bei den Chinesen in Titsee im Schwarzwald gesehen haben, erleben wir es mit den Skandinaviern in Tallinn: Trolleys werden gekauft und vollgepackt mit Hochprozentigem, was allerdings bei den Chinesen eher Kuckucksuhren waren, hat hier nie weniger als 40 Prozent. Glückselig machen sie sich dann alle wieder auf den Heimweg.

 

Wir werden unseren letzten Abend in Tallinn ganz gemütlich in einer Brauerei am Meer, direkt beim Fähranleger, erleben, die Juan bei einem Alleingang gefunden hat. Morgen geht’s dann weiter nach Osten.

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