Seen satt

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Wir verlassen das masurische Hexenhäuschen und unsere Gesindestube unterm Dach nach einem üppigen Frühstück.

Und nun? In der Nähe – natürlich auch wieder direkt an einem See – haben wir die Ansammlung verschiedener Chalets entdeckt. Ein Chalet ist hier in der Masurischen Seenplatte eine recht gut ausgestattete Holzhütte, vorzugsweise mit Blick auf einen der über 1000 Seen. Was wir sehen würden, blieben wir hier: die Rückseite eines Chalets, das wiederum Seeblick hat. Also nichts. 

 

Ein paar Buchten weiter passt uns nicht, dass die Hütten völlig isoliert und dazu noch nietnagelneu sind. Auch doof. Im Internet werden wir auf eine Taverne aufmerksam, die vor allem durch ihr gruseliges quietschblaues Dach auffällt. Trotzdem fahren wir mal hin.

 

Noch auffälliger als das Dach ist die Chefin des Hauses, die eine Art späte masurische Elizabeth Taylor ist. In Bodenlanges in Grüntönen gewandet, die roten Haare hoch über der Stirn zu einer Pyramide aufgetürmt, mondäner Lidstrich mit Cleopatra-Schwung. Speziell. Und wie alle Polen, die wir bisher getroffen haben, sehr nett.

 

Zwar entnehme ich zahlreichen Fotos, dass sie offenbar längere Zeit in Kenia war, aber Englisch hat sie da nicht gelernt. Sie zieht einen erwachsenen Sohn irgendwo her, der mir im ersten Stock ein Apartment mit seitlichem Seeblick zeigt. Nicht schlecht, aber auch nicht doll. Sauber, aber auch schon gut verwohnt. Aber Blick und Lage sind natürlich nicht zu verachten.

 

Wir gucken erst einmal weiter. In einer von einem Berliner Touristikunternehmen geführten Anlage wird uns eine fiese Wohnung zu überhöhtem Preis gezeigt – im Leben nicht!

 

Also weitergondeln. Vorbei an Seen, durch Dörfchen, in denen sehr einfach, aber scheinbar recht zufrieden gelebt wird. Das Ende vom Lied: Liz Taylor unterm blauen Dach. Der Sohn freut sich, uns wiederzusehen und hat eine Idee: Sie haben doch in zweiter Reihe, aber sehr wohl mit Seeblick, noch ein Haus. Er radelt vorab, wir folgen. In einer der beiden Buden werden wir zwei Nächte bleiben.

 

Es wird das Haus in zweiter Reihe: Ganz neu, sehr großzügig, Terrasse zum Balkon. Spontan beschließen wir, noch eine dritte Nacht dranzuhängen. Sozusagen der Anlauf zu Litauen.

 

Die Bude hat mehrere Vorteile: Anbindung an das blaue Dach, unterm dem bis 19 Uhr (jawoll!) gegessen werden kann, direkten Seeananschluss mit schönen Spazierwegen, nur drei Kilometer vom nächsten größeren Ort entfernt.

 

Wir essen in der Kneipe unterm Schirm zu Abend – zum Glück, denn es fängt ordentlich an zu regnen. Miete und Geld fürs Abendessen bleiben wir erst einmal schuldig: Sie hätten es gern in bar. Und morgen reicht völlig.

 

Spazieren nach dem Essen am See entlang und noch direkt vor dem nächsten Guss wieder in der Wohnung. Auf dem überdachten Balkon trinken wir einen kleinen Cognac, gucken auf den See und umherfliegenden Störchen zu. Nur 19 Kilometer vor der russischen Grenze ist Kal, so heißt unsere zauberhafte Halbinsel, meilenweit von jeder Aufregung, von Stress und allem Wahnsinn entfernt.

 

 

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