Nachdem wir uns gestern ein paar Hotels angeguckt haben und uns nichts wirklich begeisterte, haben wir beschlossen, einfach noch zwei Tage in der Villa San Lucchese in Poggibonsi zu bleiben. Wir müssen zwar in ein anderes, nicht ganz so tolles Zimmer umziehen, aber – so what? Wenigstens turnen wir nicht heimatlos und übellaunig durch die Gegend.
Dazu ist die Toskana einfach viel zu schön.
Gestern haben wir einen total faulen Tag gemacht, also steht uns heute der Sinn wieder nach Unternehmung.
Erstes Ziel: San Gimignano. Auf einem 324 Meter hohen Hügel gelegen ist das „Manhattan des Mittelalters“ an den aus der Stadtsilhouette herausragenden Türmen schon von Weitem zu erkennen. Wohntürme waren im Mittelalter weit verbreitet. Mit zunehmendem Wohlstand wurden diese jedoch später durch komfortablere Paläste ersetzt. San Gimignano war hierfür zu arm. Heute sind es gerade diese Geschlechtertürme, die der Stadt den Wohlstand bringen. Von den ursprünglichen 72 Türmen sind noch 15 gut erhalten. Acht Millionen Besucher muss das kleine Städtchen jährlich bewältigen und wir erinnern uns daran, dass wir eigentlich nie mehr herkommen wollten: jedesmal war es so voll, dass man kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Aber diesmal haben wir wieder Freude an San Gimignano. Schon beim dritten Parkplatz klappt es nach kurzer Wartezeit, das Auto loszuwerden – und schon krabbeln wir wieder Treppen und steile Gassen hoch und runter. Klar, auch jetzt sind hinter viele Menschen unterwegs, aber nicht vergleichbar mit Ostern oder dem Hochsommer. Wir gucken ein paar Kirchen, Paläste und tote Steine an, genießen aber vielmehr die allgemeine Atmosphäre. So riesige Lust zu laufen haben wir bei über 30 Grad sowieso nicht. Aber es findet sich immer ein feines Plätzchen, um ein bisschen rumzugucken. Unter anderem in einem Café auf der Piazza: ein schöner Ort, all die Menschen vorbeiziehen zu lassen. Nach ein paar Stunden ziehen wir fröhlich weiter und verlassen San Gimignano, dessen historisches Zentrum natürlich UNESCO Weltkulturerbe ist.
Ein bisschen erstaunt sind wir schon, dass wir am Fuß des berühmten Ortes eine riesige Gefängnisanlange vorfinden. Aber irgendwo müssen sie die bösen Buben ja hintun…
Das nächste Ziel ist Volterra. Interessant, wie sich auf wenigen Kilometern die Landschaft verändert. Ist San Gimignano umgeben von Wein- und Olivenplantagen, finden wir nur knapp 30 Kilometer weiter Tuffsteine, sehen einige Alabasterbrüche. Für den Alabaster ist Volterra weltberühmt, es ist auch das wichtigste Exportgut hier in der Gegend. Wir gucken uns ein paar Exponate an und sind von Einstein Richtung entreat. Nicht nur, weil so brüllend teuer sind, vor allem triefen sie vor Kitsch. Aber das ist ja zum Glück Geschmacksache. Und bestimmt macht es in Clayton, Ohio, was her, wenn man die 5000-Dollar-Alasbasterschale mit original italienischen Putten herumzeigt… Aber die kleine Stadt selbst hat natürlich viel mehr als Alabasterkunst zu bieten: Wer sich für die Kultur und den Alltag der Etrusker interessiert, findet im Museo Etrusco Guarnacci eine umfangreiche Sammlung an Funden, die teils aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammen. Wir verzichten mal auf das Museum und ebenfalls auf die Reste des Teatro romano aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., das erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt wurde und am Ortsrand von Volterra liegt. Eindrucksvoll finden wir ein gigantisches Bauwerk, das man auch schon von weitem sieht: Auf dem höchsten Punkt der Stadt steht eine gewaltige Medici-Festung aus dem 14./15. Jahrhundert, die wir ungern von innen sehen würden: Sie ist seit Ende des 19. Jahrhunderts und bis heute eine der strengsten Strafvollzugsanstalten Italiens…
Wir bummeln noch ein bisschen herum, schnuppern am Palazzo Viti, klettern auf die Stadtmauer. Und essen irgendwann ein wunderbares Eis.
Für heute haben wir wirklich genug gesehen. Zurück nach Hause sind es nur ungefähr 30 Kilometer, aber ein irres Gekurve durch die Hügellandschaft. Zurück im Hotel reicht die Energie gerade noch, uns direkt in den Pool zu stürzen. Inzwischen ist es so diesig geworden, dass uns die Sonne nicht richtig trocknet, also ruhen wir uns vor dem Dinner in unserem Zimmer ein wenig aus. Übrigens haben wir hier das größte Bett, das wir je gesehen haben: zwei Queensizes zusammengeschoben – gigantisch. Draußen zieht gerade ein Gewitter auf. Wie schön, dass wir warm und trocken sitzen.
Heute Abend werden wir relativ früh eine Nudel drehen und danach hoffentlich auf einem der gefühlten zehn Millionen italienischen Fernsehsender das Finale der Champions League sehen können. Real Madrid gegen Atlético Madrid. Ein rein spanisches Endspiel, das hier in Italien ausgetragen wird. Und es wird sicher spannend!