Ein bisschen schwer fällt es uns schon, das schöne Zimmer Nr. 2 in La Casona de Moldes zu verlassen. Es regnet wieder, 9 Grad. Aber heute wollen wir trotzdem nach Cachí. Das sind zwar nur 100 und ein paar Kilometer, aber sowohl die erste, größere Strecke, die Ruta 33, noch die kürzere zweite, die berühmte Ruta 40 haben es in sich.
Vorsichtshalber ruft Juan bei der Strassenwacht an, um sich nach dem Zustand der Straße zu erkundigen. „Passierbar.“ Hört sich erst einmal zurückhaltend an…
Natürlich machen wir uns trotzdem auf die Socken. Bevor es hoch in die Berge geht, gibt es eine Polizeikontrolle auf der Straße. Oh, Wunder! Sie halten uns tatsächlich an. Allerdings will der freundliche Polizist keine Papiere sehen, sondern uns nur vor dem Weg warnen. Schlechte Sichtverhältnisse, Schnee. Viel Schnee? „Mucho.“ Na, das sehen wir uns erst mal an. Coronel Moldes liegt auf 1100 m Höhe, der Pass vor uns ungefähr auf 3400 m. Mit Allrad überhaupt kein Problem, meint der nette Wachtmeister noch. Und schon sind wir unterwegs auf einer relativ guten, asphaltierten Straße. Die Berge rundherum sind in finstere Wolken eingehüllt. Da müssen wir durch. Bis zu einer Höhe von ungefähr 2300 m geht es auch noch relativ gut, doch dann beginnt der Aufstieg. Irgendwo müssen wir über eine Eisenbrücke und trauen unseren Augen nicht. Unten, im trockenen Flussbett, reitet Clint Eastwood aka Django mit seinen beiden Hunden. Ein unwirklicher Anblick! Dann geht die Kletterei los: Durch die Wolken, links und rechts kaum noch Sicht. Und vor allem: Ende der Ausbaustrecke. Zwar ist der Weg planiert, aber das war es auch schon. Es rüttelt mal wieder, es schüttelt mal wieder. Wenn sich die Wolken einmal kurz öffnen, haben wir phantastische Blicke ins tiefe Tal, sehen tolle Felsformationen in leuchtendem Rot, mattem Grün, matschigen Gelb. Bei Sonne muss das ganz und gar irre sein. Sogar jetzt ist es schön.
Manchmal halten wir auf der nächsten Strecke die Luft an. Wenn die Straße noch enger, die Sicht noch schlechter wird. Natürlich gibt es kein Zurück. Selbst wenn man wollte – wir sehen ja die Hand vor Augen nicht. Ab und zu kommt uns mal ein Auto entgegen, ein anderes hat sich – ohne Licht – hinter uns gehängt. Irgendwo gibt es auf dem Weg eine Kneipe, in der wir einen Kaffee trinken. Die Lamas gucken wir uns nur von weitem an. Es ist lausig kalt, wir nähern uns dem Gefrierpunkt, vor allem aber weht ein eisiger Wind. Schnee links und rechts in den Sträuchern, aber nicht auf der Straße. Zum Glück auch kein Eis. Dafür aber Serpentinen mit Haarnadelkurven – mannomann. Wir schleichen uns Richtung Cachí mit 15, 20, auch mal 25 km/h. Und plötzlich hinter einer Kurve, natürlich noch immer im dichten Nebel, auf über 3000 m Höhe: Kühe. Mitten auf der Straße. Nicht zu fassen. Etwas später eine Ziegenherde, die sich durchs helle Fell kaum vom Schnee abhebt. Zwar gibt es unterwegs einige ausgeschilderte Aussichtspunkte, aber in der Höhe nichts zu sehen. Wir schweben in der Wolke…
Irgendwann, nach dem Scheitelpunkt auf knapp 3500 Meter Höhe, geht es langsam wieder abwärts und die Straße ist wieder asphaltiert. Und plötzlich reißt der Himmel auf. Blau! Sonne! Lange nicht gesehen. Was aber noch viel faszinierender ist: der Anblick der Berge vor uns. Das Massiv der Anden mit Schneekuppe, ein Hochplateau mit einem Kaktuswald. Soetwas haben wir noch nie, nie, nie gesehen. Es ist unbeschreiblich schön!
An einem Kakteenwald hält gerade ein kleiner Reisebus, die Touristen erkunden die Pflanzen. Es ist ein bisschen wie auf der Akropolis oder in Ephesus 🙂
Der Weg führt uns an unfassbarer Natur vorbei, ein Warnschild weist auf Lamas hin, bevor die Ruta 33 Kilometer später in die berühmte Ruta 40 einbiegt. Schon nach ein paar Kilometern ein Hotel auf der rechten Seite. Mit Spa. Und Bodega. Das schönste Zimmer 1000 Pesos. Wir schwanken, fallen aber nicht um und fahren weiter nach Cachí. Sind auch nur noch ein paar Kilometer.
Der kleine Ort mit knapp 3000 Einwohnern hat sich für Touristen kolonial-schick gemacht. Hier kommt vorbei, wer die berühmt-berüchtigte Ruta 40 (die Hochstraße in teilweise unterirdischem Zustand, die die argentinische Cordillera von Nord nach Süd, bzw. umgekehrt entlang führt) fährt – es sind noch 4503 km bis Feuerland – oder wer wie wir im Moment einfach die Berge genießen will. Juan ist nicht nur super gefahren, er fragt auch in jedem Hotel oder Hostel nach einem Zimmer. Entweder ausgebucht oder doof, auf jeden Fall ziemlich teuer.
Das Hotel Tampu an einer Ecke erinnert ein bisschen an unser letztes, ist aber moderner. Geführt wird es von einer jungen Frau, die das Anwesen von ihren Großeltern übernommen hat und auch schon mal in Berlin war. 500 will sie für die erste Nacht. 450 für die zweite. Ein Riesenzimmer mit einem schönen Bad gibt es dafür. Hier werden wir uns nun erstmal akklimatisieren, denn die Höhe macht uns schon zu schaffen.
Zu Fuß machen wir uns ein Stündchen später auf den Weg ins Dorf. Genau in dem Moment, als im Hotel das Licht ausfällt. Leider nicht nur im Tampu, sondern in ganz Cachí. Also kein Käffchen auf der Plaza, über die gerade eine Nonne huscht. Wir huschen hinterher, um uns die historische Kirche anzusehen. Ein fast schmuckloses Schmuckstück. Sehr eindrucksvoll. Für längere Märsche sind wir zu müde und zu dösig im Kopf. Die Höhe! Leichte Kopfschmerzen und der Wein schmeckt nicht so richtig. Letzteres ist tragisch 🙂