Recht spät gestern Abend haben wir uns entschieden: nächstes Ziel ist Karlsbad in Tschechien, einer der berühmtesten und mondänsten Kurorte der Welt. Das berühmt-berüchtigte Karlsbader Wochenende, bei dem sich um die 1000 Aristokraten aus ganz Europa im Stil der Belle Époque im berühmten Grandhotel Pupp in Gedanken an längst vergangene Zeiten einlullen, um schließlich unter ihresgleichen eine Quadrille zu tanzen, bevor sie sich die Kante geben, ist seit gestern Abend vorbei. Also: freie Fahrt auf allen Bahnen.
Wir entscheiden uns für Wege fernab von Autobahnen. Nach einem Apothekenstopp in Weimar – nun sind wir endlich beide erkältet, brauchen Aspirin complex und Dorithricin – geht’s Richtung Jena los. Wunderschöne Landschaften mit großen Wäldern, unendlichen Feldern, grünen Auen und fließenden Bächen ziehen an uns vorbei. Wir werfen einen kurzen Blick auf Jena und Auerbach, Gritz und Hammerbrücke, bevor wir das Vogtland mit dem Erzgebirge vermischen. Das Wetter ist schön, um die 17 Grad. Nach dem Naturpark Erzgebirge gehen wir über die völlig unbemannte Grenze nach Tschechien, essen einen Happen in Sichtweite des ehemaligen Schlagbaumes, tanken bald für rund einen Euro pro Liter, bevor wir in Karlsbad einrollen.
Erst mal parken, ein paar Kronen aus dem Automaten ziehen, in der Innenstadt rumlaufen… Im Laden von vodafone loggen wir uns auf der Suche nach einem Hotel bei booking.com ein: es soll das Boston für 50 Euro inkl. Frühstück sein. Aber haben die einen Parkplatz? Also erst einmal hinfahren. Vorbei an einer atemberaubenden russisch-orthodoxen Kirche schlängeln wir uns durch enge Gassen. Der Chef des Boston ist entzückend, hat auch einen seiner beiden Parkplätze für uns. Zimmer tipptopp.
Beide sind wir angeschlagen, deshalb brauchen wir eine kleine Pause, bevor wir uns einmal im Ort umsehen.
Luftholen, ein paar Mittelchen in Wasser auflösen, einmal schütteln und los. Nur eine Treppe trennt uns vom Zentrum, hat uns der charmante Hotelier geschworen. Beim Gedanken an das Gefälle, das wir auf dem Weg zu seinem Hotel vorgefunden haben, graut es uns und wir ahnen Schreckliches. Völlig zu Unrecht. Nur 15, 20 Stufen, schon stehen wir in einer eleganten russischen Stadt im Jugendstil.
Beim Spaziergang durch die gepflegten Kuranlagen entlang der Tepla bis hin zum mondänen Hotel „Pupp“ wird deutlich, wie sehr sich Karlovy Vary, das frühere Karlsbad, und seine rund 50 000 Einwohner den augenscheinlich wichtigsten Gästen zugewendet hat. Egal, was die Geschäfte anzubieten haben, fast überall erscheint das Angebot erst einmal auf Russisch. Kyrillisch, soweit das Auge reicht. Deutsche Gäste bilden nur noch einen verschwindend geringen Anteil. Ob sich Goethe hier noch wohl fühlen würde, der Karlsbad 13 Mal besuchte und liebte, lässt sich nicht erahnen. „Es gibt nur drei Städte auf der Welt, wo ich leben möchte: In Weimar, in Karlsbad und in Rom“, hatte der Geheimrat einst Wilhelm von Humboldt anvertraut.
Tatsächlich in das Städtchen wirklich sehenswert. Viele Hotels sind in luxuriös renovierten Häusern untergebracht, wandelt man durch die Säulengänge der Therme, meint man, Seidenröcke rascheln zu hören. Dann trappeln auch noch Pferde um die Ecke, die Kutschen – natürlich – mit Russen ziehen: nicht schlecht.
Dadurch, dass viele Touristen die Möglichkeit in Anspruch nehmen, sich hier relativ günstig verschönern zu lassen, sieht man auch hinreißende Entenschnäbel, aufgespritzte Lippen, gezerrte Lider und runderneuerte Hälse. Billig war das alles nicht. Neben den Russen nehmen einige Araber die Angebote Karlsbads wahr, wodurch das Stadtbild noch bunter wird.
Wir sind bald müde vom vielen Gucken und fallen in ein Resutaurant namens Schweijk ein, in dem ungewöhnlicherweise fast nur Tschechen anzutreffen sind. Zum Pilsner Urquell gibt es Lammkoteletts auf Knoblauch (das meinen sie so, wie sie es anbieten) für Juan, ein Gulasch in schwarzbrauner Sauce für mich. Beides wirklich gut. Beim Nachtisch haben wir uns vertan, bestellen Palatschinken mit Heidelbeeren und gucken etwas doof, weil natürlich Crêpes serviert werden. In unserem Kopfkino wurde ein falscher Film gezeigt, in dem Kaiserschmarren auseinandergezerrt wurde.. Naja, auch gut.
Früh ins Hotel, hoffentlich sind wir schon morgen ein bisschen besser in Form!