Jäger & Sammler

 

Sie sind im Morgengrauen unterwegs und auch in der Abenddämmerung. Oft bis zu Unkenntlichkeit verhüllt, niemals Willens zum Augenkontakt. Denn ihr Blick ist immer starr nach unten gerichtet. Sie sammeln. Muscheln, von denen es heißt, die besten finde man auf Sanibel Island. Steine, die den Charme matten Bernsteins haben. Vielleicht noch kleine Schwämme und Federchen. Sie sind mit Käscher und Tüte unterwegs, denn sie sind Sammler, sie brauchen ihr Werkzeug. Bleibt die Frage: Wozu brauchen sie ihre Schätze? Sind ihre Häuser bis zum Dach gefüllt mit Muscheln, die Fassaden beklebt? Klar ist, dass die Profi-Horde Nachahmer findet. So 90 Prozent aller Touristen kaufen sich bei Publix oder so ein kunterbuntes Netzchen am Stiel und legen los. Zum Trocknen werden die Muscheln nach Größe, Farbe oder sonstwas sortiert auf dem Balkons und Terrassen ausgelegt und warten auf eine ihrer drei Schicksalsalternativen: Sie werden noch am Urlaubsort weggeworfen, sie überleben die Integration in den Haushalt nicht oder – die vielleicht schlimmste Möglichkeit – sie werden verarbeitet. Zu Schmuck, zu Schlüsselbrettchen, zu Schaubildern – zu irgendetwas. Wenn man Pech hat, bekommt man diese Handarbeit dann zum Geburtstag. Die Sammler sind schon eine seltsame Spezies…

 

Unvergleichlich mit den Jägern, die man hier beobachten kann. Die einen immer auf der Spur von Schnäppchen, die anderen auf der Suche nach Ess- oder Trinkbarem. Und da meine ich mal gerade nicht meine Mitmenschen, sondern die Vögel, die hier großartige Jagdspektakel abliefern. Wir sitzen manchmal stundenlang auf unseren 9,99$-Stühlen und beobachten das Federvieh.

 

Die Attacken der Pelikane sind spektakulär! Und wenn dann noch ein paar Delfine dazu auftauchen, ist der Anblick perfekt. Zum Sonnenuntergang und damit zur Beobachtung von Jägern und Sammlern sind wir heute nach Bonita Springs – das ist das übernächste Inselchen Richtung Süden – gefahren. Auf einen Parkplatz, den wir schon kannten und bei dem wir das letzte Mal nach drei Minuten unbezahltem Parken bereits verwarnt worden waren. Diesmal zählen wir – wie alle anderen – artig zwei Dollar pro Stunde und befinden uns so rechtlich auf unverfänglichem Boden. 

Nach all diesen Anstrengungen sind wir dann direkt vom Strand zurück nach Estero Island – auf dieser Insel liegt Fort Myers Beach – zurückgefahren und in ein Restaurant eingekehrt, das wir ganz zufällig hinter der cvs pharmacy gefunden haben. Heißt einfach nur Fish House, ist völlig unprätentiös und lustig. Der Fisch, die Meeresfrüchte, alles knackfrisch. Dazu gab es einen Pincher Bud – kein Mensch braucht mehr! Wieder ein perfekter Tag.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Konversation zwischen zwei Herren aus dem Norden, die ich zufällig mit angehört habe. Sie sprachen über die Schönheit Floridas, das tolle Klima, wenn man mal mit Michigan vergleicht. Und vom Traum, später einmal ganz hierher zu ziehen. Beide hatten Bekannte, die genau das gemacht hatten: Haus verkauft, moonboots verschenkt, Koffer gepackt und nix wie ab in den Süden. Schönes Häuschen direkt am Wasser gekauft, eigenes Bötchen am eigenen Steg festgemacht und… Ja, und… Es fehlten die Wechsel der Jahreszeiten, dafür kamen ständig Freunde und Bekannte auf dem kalten Norden zu Besuch. Je schlechter das Wetter in Montana oder ähnlich unwirtlichen Gegenden, umso voller die Hütte in Florida. Kein Leben. Und teuer, weil ja immer alle durchgefüttert werden müssten. Was haben sowohl die Bekannten des einen als auch des anderen gemacht? Die volle Kehrtwende. Nun leben sie wieder im Norden, freuen sich über die Wechsel der Jahreszeiten, haben ihre Freunde und Bekannten um sich herum. Und wenn sie von der Kälte mal die Schnauze voll haben? Ja, dann machen sie Urlaub. In Florida.

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