Grenzgänger

Natürlich sind wir wieder mal viel zu früh, weit über eine Stunde vor dem 7-Uhr-Wecker, aufgewacht. Heute ist ein wichtiger Tag, wir machen einen Ausflug. Zunächst aber werfen wir ein paar Klamotten ins Täschchen. Alles muss fertig sein, wenn wir uns mit Anel um zehn treffen.Ein Taxi bringt uns im relativ ruhigen Samtagsverkehr nach La Recoleta. Auf der Presidente Quintana, Nähe Montivideo, steht immer noch die Kiste, springt auch sofort an. Klar, wir müssen sie noch grundputzen, aber erstmal geht es nun los. ENDLICH!!!

Es dauert gerade mal einen Lidschlag, bis Juan den Rhythmus des Buenos-Aires-Verkehrswahnsinns inhaliert hat. Ein kleiner Tankstop, dann sammeln wir Anel in der Godoy Cruz auf, ich schnappe uns das Minigepäck – und los geht’s.

Langsam kommen die Porteños zu sich, der Straßenverkehr wird dichter. Noch bevor wir auf der Panamericana sind, stehen wir schon mal im Stau. Aber egal: die Kiste läuft, das Leuchtzeichen „Check engine soon“ leuchtet, wie wir vom Welschen erfahren, schon seit Mexiko und bedeutet nichts. Das wollen wir nun einfach mal glauben…

Ziel unseres kleinen Ausflugs ist der Ort Fray Bentos in Uruguay. Nicht, weil er uns wirklich interessiert, sondern weil wir wissen wollen, ob und wie der Grenzübergang funktioniert. 200 Kilometer entfernt soll Fray Bentos sein, knapp 300 kommen der Wahrheit näher.

Wir fahren kaum mehr als 100, auch deshalb, weil die Kiste sonst vibriert. Die Strassenverhältnisse sind gut, die Landschaft zum Teil atemberaubend: in den Sümpfen links und rechts der Straßen grasen Kühe, wir sehen viele Störche, Kormorane und auch ein paar Greifvögel auf dem Weg nach Zarrate. Dort geht es mit einer riesigen Brücke über den Parana, nach dem zweiten Flussarm sind wir in der Provinz Entre Rios. Käffchen an eine Servicestation, Hunger. Aber es gibt erst mal nichts: zunächst die Grenze.

Am Ende der Brücke über den Rio Negro sitzen argentische und uruguayische Zöllner Schulter an Schulter zusammen. Wir zeigen erst die Pässe, dann den dicken Stapel Papiere den Pathfinder betreffend. In einer Abfertigungshalle werden alle Daten aufgenommen, ausgedruckt und gestempelt: Wir sind offiziell ausgereist. Am Nebentisch die Rolle rückwärts, damit sind wir in Uruguay eingereist und dürfen 30 Tage bleiben. Ein mehrfach gestempelter Zettel wird an einer Holzhütte abgegeben – fertig. Hat alles in allem knapp eine halbe Stunde gedauert.

Uruguay präsentiert sich warm (über 30 Grad) und hübsch mit blühendem Raps. Alles ist hier kleiner, beschaulicher. Nichts zu hören vom Lärm der 36 Millionen Argentinier. Die rund 3,5 Millionen Uruguayer sind ruhig, fahren Auto wie richtige Menschen und scheinen sehr häuslich zu sein. Fray Bentos wirkt fast wie ausgestorben. Es würde mich nicht wundern, käme hier eine Pionierin mit Reifrock über die staubige Straße…

Wir beschließen, 30 km weiter ins Land nach Mercedes zu fahren. Dort wollen wir übernachten, vor allem aber etwas essen. Auch Mercedes zeigt koloniales Erbe. Und das Hotel Colon, in das wir für rund 100 Euro für zwei Zimmer inkl. Frühstück und Parkplatz einchecken.

Die Suche nach Essbarem gestaltet sich schwieriger. Anders als in Buenos Aires, wo man buchstäblich an jeder Ecke einkehren kann, gibt es hier nichts. Juan fragt eine Frau an einer Tankstelle nach einer Bar, sie beschreibt gestenreich den Weg. Dann sieht sie uns: Mit denen kannst du da nicht hin. Sie wollte ihn in den örtlichen Puff schicken 🙂

Stattdessen landen wie bei Don Pepone mitten in einem Mädchengeburtstag. Klar, dass die Küche erst um acht wieder öffnet… Wir bekommen jeder ein Bier, als Picada Nüsse, ein paar Käsewürfel und Schinken, teilen anschließend zu dritt eine Pizza aus der Mikrowelle. Egal, der nagende Hunger ist bekämpft. Noch schnell ein Eis auf die Hand auf der Plaza und ab ins Hotel. Wir bezahlen übrigens bisher nur mit argentinischen Pesos. Mehrere Bankautomaten haben mehrere unserer Kreditkarten abgelehnt. Wir vermuten mal, dass es daran liegt, dass wir statt der angebotenen US Dollar uruguayische Pesos haben wollen. Damit rechnen die Maschinen hier nicht. Wegen der Wechselbeschränkungen in Argentinien kommen viele aus dem Nachbarland hierher und ziehen sich so viele Dollars, wie es gerade mal geht. Entweder, um Devisen zu horten, oder um den Schwarzmarktkurs für Dollars zu nutzen.

Wir nutzen heute nichts mehr, sondern sind kurz vor acht im Hotel. Der Ferseher läuft, ich tippe vor mich hin, mache mir große Sorgen um eine Freundin in Deutschland, bin aber auch schon schläfrig. Frühstück geht erst ab sieben. Mal sehen, wann wir wach werden…

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