Es ist sechs Uhr morgens, ich blinzle und sehe, dass Juan schon fit ist. Nicht nur das: „Wir müssen reden.“ Hä?!? Tatsächlich hat er schon mitten in der Nacht online gesehen, dass es in unserem Ibis City Center in Porto offenbar eine Stornierung gegeben hat. Demnach ist ein Zimmer frei. Sofort greife ich zum Hörer, erschrecke den noch etwas verschlafenen Mann an der Rezeption, aber es stimmt. Ein Zimmer ist frei. Wir buchen es für einen knappen Hunderter (mit Frühstück – ein Schnäppchen in Porto) sofort. Das Gute: Wir können in genau unserer Bude bleiben, die für Ibis unverhältnismässig gross ist, was daran, liegt, dass es noch ein Klappbett gibt, das man nutzen kann, falls die Omma mitreist oder irgendwer.
So. Hellwach und unternehmenslustig. Nach einem Käffchen und den Zeitungen im Zimmer gehen wir frühstücken: Frischen Orangensaft, frischen Obstsalat, Brot, Brötchen, Schinken, Käse – alles und mehr da. Sogar der Kaffee ist gut.
Draussen im Leben ist es gegen neun Uhr noch frisch: Höchstens 26 Grad. Da wir aber einen bestimmten Plan haben, holt Juan mal Hüte aus dem Auto – und los geht’s. Mitten in der Stadt klettern wir in einen gelben Doppeldecker-Bus – Stadtrundfahrt oben bei offenem Verdeck. Das machen wir manchmal in Städten, die wir noch nicht kennen, damit wir ein bisschen Orientierung bekommen. Auch in Porto klappt das gut. Wir zuckeln durch die Altstadt, sehen die Kathedrale, Paläste, deren Fassaden mit meist blau-weissen, üppig bemalten Kacheln versehen sind, freuen uns über den Jugendstil, der an vielen Ecken schon kunstvoll bröselt, fahren über den Duoro in die gegenüberliegende Stadt Gaia. Hier sind die meisten Porto-Unternehmer ansässig. Wir besuchen aber noch keinen Keller, weil wir es uns schwer vorstellen können, bei der Hitze – längst über 30 Grad – auch noch Alkohol in uns hineinzuschütten.
Was wir uns allerdings nach Beendigung nicht verkneifen, ist der Aufstieg zu Fuss zur Kathedrale. Dabei kommen wir ganz zufällig an einer kleinen Markthalle vorbei, in der ausschliesslich Einheimische Fisch, Obst und Gemüse kaufen. Keuchend und schwitzend landen wir dann mit Tausenden anderen an dem Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert. Den wir allerdings nicht besichtigen: Wir zahlen nicht für Kirchenbesuche. Auch wenn es nur drei Euro pro Nase sind: no exceptions.
Ein Wässerchen oder so wäre jetzt schön; wir sind mal wieder hin und alle. Es treibt uns zu einem der vielleicht schönsten Jugendstilcafés der Welt, ins „Majestic“. Bildschön und vergleichbar mit dem „Tortoni“ in Buenos Aires – einschliesslich der Schlange vor der Tür. Aber Juan macht ein wichtiges Gesicht, ich guck auf Doofchen – und schon haben wir einen tollen Platz im Inneren dieses bemerkswerten Hauses. Unter den wissenden Augen der Putten bestellen wir zwei oder so: kleine Biere. Eiskalt – wunderbar. Allerdings zum Kiezpreis: 12 Euro! Aber was soll’s?
Wieder zu Kräften gekommen, schlendern wir über eine Fussgängerzone in Richtung auf die berühmte Markthalle von Porto. Aber Pustekuchen! Die wird gerade komplett restauriert und ist interimistisch in einem fiesen Neubau-Keller untergebracht. Das ist ja schade! Wir werfen auch nur deshalb einen Blick, weil das Verlies klimatisiert ist.
Wir brauchen eine kleine Pause und sehen auf google maps, dass unser Hotel nur zwei Ecken entfernt ist. Siesta! Klappt nicht, denn das Zimmer ist noch nicht gemacht. Die beiden Ladys rücken gerade an und wir aus. In einer Bar um die Ecke serviert uns ein ganz junger Typ ein Sandwich, Bier und vinho verde. „Where do you come from?“ fragt er in besten Englisch. Oh, wie schön! Juan und er seien geradezu Brüder, sagt er auf Spanisch, er sei Brasilianer. Und zu mir – auf fast akzentfreiem Deutsch: „Und deine Sprache spreche ich auch!“ Unser neuer Freund Joao hat in Freudenstadt im Schwarzwald eine Art kleinen Erasmus eingelegt: „Aber vor dem Winter bin ich geflüchtet.“ Nun ist er also in dieser kleinen Bar in Porto gelandet und etwas unglücklich, weder Französisch noch Italienisch zu sprchen. Aber das sind seine nächsten Pläne. Er ist ja noch jung.
Wir verabschieden uns fröhlich in unsere Siesta. Heute Abend werden wir wohl erst spät zum Essen gehen, denn es gibt im Fernsehen das Finale der Champions League, auf das sich Juan schon seit Wochen freut. Ich gucke mit – wenn es langweilig wird, habe ich den letzten Band der Dan Winslow-Trilogie über Drogenkartelle in Arbeit…