Wenn man sich Brasilien einmal auf einer Karte ansieht, wundert man sich schon, wie winzig der Bereich ist, in dem wir unterwegs sind. Wir fahren von Foz do Iguacu direkt nach Osten, wollen an den Atlantik. Bis nach Curitiba sind es 663 Kilometer. Landstrasse. Ähnlich wie die B 73 Richtung Cuxhaven. Voll mit Lastwagen und vielen Idioten, die sich ihre Adrenalinkicks offenbar durch riskante Überholmanöver holen. Die Strasse ist mal schnurgerade, mal gewunden, immer geht es über Berge und Hügel. Rauf, runter. Mal gibt es eine kurze Strecke eine zweite Spur, um den Schwerverkehr zu überholen, meist aber nicht. Interessant sind die Polizeikontrollen, die wir ungefähr alle 100 Kilometer passieren. Wir werden zwar nie angehalten, aber immer mit allen anderen langsam durch ein Hütchenlabyrinth geleitet. Dadurch hat man einen guten Blick auf die links und rechts der Strasse abgelegten Unfallautos. Man sieht zwar weit und breit keinen Wachtmeister, aber wir haben das Gefühl, dass das Umfeld des Kontrollpostens ausschliesslich der Abschreckung dienen soll. Es sind wirklich tragische Blechhaufen dabei…
Unsere Reisegeschwindigkeit trudelt sich so bei 80 ein, ist aber natürlich nicht durchzuhalten. Wir fahren durch faszinierend große Weizen- und Sojafelder, durchqueren letzte Regenwaldregionen. Irgendwie müssen sich die 300 Millionen Brasilianer ja ernähren, also roden sie ihre Regenwälder und pflanzen Getreide. Das ist gelebter Pragmatismus, da kann man schimpfen und jammern, aber die Menschen müssen essen. Doch nicht nur die riesigen Felder begeistern uns: Die Landschaft ändert sich ständig, wir können immer noch nicht genug bekommen.
Aber da wir nicht vorhaben, unentwegt in der Kiste zu sitzen (wir haben sowieso schon mehr als 3000 Kilometer insgesamt auf der Uhr), machen wir in Irati, ungefähr 150 Kilometer vor Curitiba (fürs Fingerchen auf der Karte) Schluss für heute. Wir hatten überhaupt keine Lust auf eine Großstadt, sind deshalb hier gelandet. Im ersten Hotel kommt mir schon mal eine Frau heulend entgegen, als ich mir das Zimmer angucken will. Das Zimmer sieht aus wie ein Knast in der ersten Welt. Billig und garstig. Nee, nee, das wir hier nichts mit uns.
Da wir heute morgen für unser Reisetelefon einen Chip gekauft haben, sind wir schnell online und fix vor dem Hotel Sollievo. Ich frage nach dem Preis (ca. 33 Euro inkl. Frühstück) – der Mann an der Rezeption spricht englisch, aber kein spanisch. Er zeigt das Zimmer – gebongt. Zumal es auch ein feines, sicheres Plätzchen für das Grauchen gibt. Alles sauber hier, alles ordentlich. Vor uns checkte übrigens die heulende Lady aus Hotel Nr. 1 mit ihrer Familie im Sollievo ein. Die hat sich in diesem wesentlich besseren Haus auch wieder eingekriegt. Im 3. Stock soll es ein Restaurant geben. Kann nur hoffen, dass da auch Caipirinhas geschüttelt werden, die trinken wir auf Jutta und Johannes. Jahaaaaa: auch auf Euch. Übrigens freuen wir uns richtig, richtig doll über jeden Kommentar. Also los jetzt!
EIGENTLICH hatte ich das macbook ja längst zugeklappt, aber der Tag ist doch noch nicht zu Ende. Doof ist, dass das Restaurant im 3. nur zum Frühstück geöffnet ist. Gut ist, dass der Mann an der Rezeption einen Italiener in der Nähe kennt. Es regnet, also mit dem Auto los. Der Italiener ist offenbar DER Italiener in Irati: Hier ist die Hölle los! Natürlich haben wir wieder fürchterliche Sprachprobleme, aber irgendwie regelt sich ja alles immer. Wir bestellen Huhn mit Gemüse, Salat und Beilagen. Offenbar für 4 bis 6 Personen. Der Kellner hatte wohl noch irgendwas gemurmelt, um uns zu warnen – aber wir kennen ja die Welt: Bestellt ist bestellt – bisschen doof, aber fröhlich. Vorher gab es allerdings noch einen dieser himmlischen Caipirinhas, die es so wirklich nur in Brasilien gibt. Mit denen haben wir – wie versprochen – auf j+j und auf euch und uns alle angestossen.
Das Essen ist wirklich trotz der enormen Fülle gut. Dazu gibt es Heineken, auch nicht schlecht. Kaum liegt die Serviette auf dem Tisch, stehen zwei Herren an unserem Tisch. Der eine mustert mich: Du deutsch? Ja. Ich deutsch. Och, hat er sich gefreut! Zwar ziemlich radebrechend, aber in Erinnerung an seine deutschen Eltern haben wir ein bisschen geklönt. Wenn ich es richtig verstanden habe, hätte er genau jetzt mit seinem Pastor in Deutschland sein können. Aber drei Monate lang – das ginge natürlich nicht mit zwei kleinen Kindern. Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden und er wollte mit dem Papst in Wuppertal… Naja. Er gibt mir freudestrahlend die Hand und sagt, dass er Egon heisst. Egon! Der Bengel neben ihm verblasst ein bisschen. Der heisst nämlich Layton und hat englische Vorfahren, weshalb er noch lange kein englisch kann. Aber auch ein netter Typ. Layton fährt jedes Jahr im Oktober nach Blumenau in Südbrasilien zum Oktoberfest, zeigt uns strahlend die Fotos seiner Kinder in Krachledernen resp. Dirndl. Egon erläutert noch, dass das vom Vorjahr sei. Klar. Oktoberfest ist in diesem Jahr ab 6. 10. Wir wären da mal ganz in der Nähe. Und da wir beide München noch nie geschafft haben – man wird sehen… Wir verabschieden uns per Handschlag und mit viel Winkewinke. Inzwischen ist unserem Kellner klar, dass wir die Stars des Abends sind. Seine Mutter ist ebenfalls Deutsche, der Vater aus Paraguay. Da wir uns sonst nicht wirklich verständigen können, bietet er uns einen Kaffee an, den wir dankbar annehmen. Während wir das süße Zeug schlürfen, kommt wieder Besuch. Der Familienvater vom Nebentisch steht plötzlich vor uns. Woher wir denn wohl kämen? Juan – deutsch-argentinisch? Och, niedlich. Und du? Deutsche? Habe ich mir doch gedacht. Ich meine: Blond, blauäugig, in Brasilien – Deutsche. Ganz klar! Ganz beglückt und mit allen guten Wünschen zittert er wieder ab. Das ist gelebte Kommunikation!
Kurz bevor wir raus sind, kommt Layton noch mal ins Spiel. Du Facebook? Wir kritzeln beide unsere Kontaktdaten auf speckige Zettel – so werden Freundschaften geschlossen! Hätte einer unserer neuen Freunde unser Auto mit kanadischer Zulassung gesehen, wäre wohl die Welt in Verständnislosigkeit zusammengebrochen. So ist alles ganz prima 🙂
Die Klitzes und die Schulter (bumfuzz) entgegengesetzter könnte es garnicht sein. Ich geh garnicht aus dem Bett raus und lass die beiden einfach machen. Und dann kann ich behaupten, ICH KENN DIE WELT. Wunderbar, macht weiter so. Öttchen, dein Hütchen, war das mal eine alte umzugsschachtel?
Mein Hütchen ist SEHR schön! Umzugsschachtel! Pöh! Soeben habe ich erstmals im Leben von einem Ort namens Joinville hier in Brasilien gehört. 500 000 Einwohner, die meisten deutschstämmig. Die machen richtig auf Lüftlmalerei, Trachtenhut und Maßkrug. Weiß aber noch nicht, ob wir uns die wirklich antun. Das Hotel Tannenhof ist 200 Meter vom Shopping Mueller entfernt… Jetzt kennste wieder mehr von der Welt 🙂