Der goldene Fasan in Neuville-sur-l‘Ain setzt tatsächlich Massstäbe für unsere Reise. Das Zimmer mit Motorrad und Ikea-Boxspring-Bett liesse sich leicht länger aushalten, die Küche des Restaurants ist super und noch nicht einmal teuer. Wir wollen dennoch weiter, während sich die beiden deutschen Ladies, die sicher schon einige Jahre in Pension (Studienrätin a.D. könnte ein heisser Tipp sein) sind, hier eingenistet haben. In fabelhaftem Schul-Französisch wünschen sie der ganzen Welt einen schönen Tag und marschieren tapfer in die hinreissende Natur.
Unsere Sachen sind schnell gepackt. Währenddessen beschliessen wir, dieses Mal nicht nach Dijon zu fahren, sondern über kleine Strassen Lyon zu umgehen. Ziel: Avignon. Unser Weg führt immer entlang der Rhône südwärts. Den Franzosen wird der Strom vermutlich nicht ausgehen – an wie vielen Atomkraftwerken fahren wir vorbei?
Montélimar durchfahren wir einfach nur, in Orange begeistern uns Relikte des Römischen Reichs, in Avignon trifft uns der Schlag: Hier ist die Hölle los. Wenn wir schnell fahren, bewegen wir uns im Schritttempo. Aber wir kennen den Ort, standen auch schon auf der abgesägten Brücke – und entscheiden uns schnell: Ab in die Provence!
In Aix könnten wir natürlich bleiben, aber wollen wir das? Also weiter Richtung Apt, quasi in der Nachbarschaft von Gordes, Menerbe, Joucas und all den anderen Zauberorten. Wir checken alle üblichen Verdächtigen wie booking und stellen wieder einmal fest, wie teuer die Provence ist. Hotels 150 aufwärts, Günstigeres ist meist ausgebucht. Die Laune wird durch erfolgloses Suchen kaum besser. Irgendwie bringt es uns vors Hotel L‘Aptois, von dem ich weiss, dass es ausgebucht ist. Aber… Tatsächlich haben sie noch ein Zimmer mit Blick auf eine massive Wand. Für den äussersten Schnäppchenpreis von 55 Euro. Was schert uns die Düsternis? Das Zimmer ist unser. Wir sind müde und hungrig.
In einer Gasse direkt um die Ecke gehen wir etwas essen. Das handtuchschmale Haus hat drei Stockwerke, wir bekommen einen Platz im dritten, für den man nicht klaustrophobisch sein darf. Bei grünem Salat mit Nüssen und Senfdressing, rohem Schinken aus der Region mit frischem Brot und etwas Weisswein aus dem Vaucluse reift der Plan, die nächsten Tage in der Provence zu verbringen. Noch vor den Hauptgerichten – konfiertes Entenbein vom Grill und zartestes Rindersteak – haben wir bei Airbnb etwas Passendes gefunden. Le Bois dormant, der schlafende Wald. Noch vor dem Crêpes au Grand Marnier ist das Quartier für vier Nächte gebucht. Madame Marielle ist etwas desolée, weil wir erst abends halb acht einziehen können: Sie müsse ihren Mann aus dem Krankenhaus in Grenoble abholen und entsprechend früh los. Das nächste Viertele Weisswein macht mutig: Wir könnten den Schlüssel auch sehr früh morgens holen. Marielle muss spätestens um halb acht aufbrechen.
Viertel nach sieben stehen wir vorm Portal des Anwesens, klingeln und werden per elektronischem Butler eingelassen. Monsieur in Grenoble hatte es nicht für möglich gehalten, dass die Deutschen so früh aus der Falle kippen. Aber: Eh, voilà. Marielle erklärt schnell unser putziges kleines Zuhause, dessen Aussenbereich besonders betört. Mit dem Schlüssel und der Fernbedienung fürs Portal fahren wir die 15 Kilometer zurück nach Apt. Gerade rechtzeitig fürs Frühstück im L‘Aptois.
Check-out, Shopping chez Lidl und E. Leclerc wegen des Weins – wir haben ein Zuhause. Ein paar Klamotten müssen gewaschen werden, ansonsten gucken wir ein bisschen Gegend, lachen darüber, dass Madame für uns säntliche deutschsprachigen Programme eingestellt hat und trinken bald einen eiskalten Weisswein zum Baguette. Der fiese Regen vom Vormittag hat sich längst verabschiedet, dafür sagen unsere Gastgeber nachmittags gegen fünf Bonjour: Dem Trip nach Grenoble haben sie schnell geschafft.
Wir machen nun erst einmal gar nichts mehr, ausser dass wir einen Blick auf ein mögliches Zuhause in Sanary-sur-mer für die nächste Woche werfen.