Reisetag. Klar, dass wir um sechs Uhr morgens schon mal wieder puppenlustig sind. Aber erst einmal gibt es ein Käffchen, dann noch mal einen Blick auf die Karte – wir werden heute wohl bis zur französisch-italienischen Grenze fahren und dort mal gucken, wo wir bleiben. Besser, vorher nichts zu buchen.
Zahnbürste und Puschen (das sind Hausschuhe) schnell in die Tasche geworfen, klar Schiff im Apartment. Alles fertig. Rico und Ronja, die Yorkies, warten schon auf uns, also ist Agnetha in der Nähe. Wir fallen uns alle noch einmal um den Hals – und schon machen wir uns auf den Weg nach Osten.
Diese Strecke kennen wir überhaupt noch nicht, sind aber begeistert. Erst geht die Fahrt durch Weinfelder, dann kommen langsam riesige Lavendelflächen ins Bild: Sault.
Von dort aus krabbeln wir über Berge und durch Täler, fahren Haarnadelkurven und Serpentinen, sind meist allein, manchmal auch von irgendeinem wirren Franzosen gehetzt. Das Wetter ist ein Traum. Zwar anfangs nur um die 10 Grad, dafür aber klare Sicht und ganz viel Sonne.
Irgendwie bilden wir uns ein, dass der Lac de Serre-Ponçon von besonderer Schönheit ist. Da liegen wir auch nicht falsch. Gletscherblaues Wasser, tolle Berglandschaft, viele, viele Campingplätze. Aber nicht dieses lauschige Café mit Blick oder ein ebensolches Hotel. Also essen wir in der Früh geschmierte Schinkenbrote und trinken dazu Wasser aus der Flasche.
Erstaunt sind wir über den Tankwart in Savine-le Lac: Er spricht deutsch. Und zwar, weil er vor zwanzig Jahren an der holländischen Grenze gearbeitet hat. Und später seine Kinder in Basel auf die internationale Schule geschickt hat: „Das war sehr teuer, aber das beste, was ich für sie tun konnte.“ Hat er recht. Nun verkauft er uns Benzin für 1,37 den Liter und wünscht einen schönen Tag.
Entlang der Durance fahren wir in wilden Kurven durch wunderschöne, felsige Landschaften, bis es mal wieder aufwärts geht. Richtig aufwärts. Serpentinen wie in den Anden – und plötzlich sind wir mitten in der Schweiz. So jedenfalls sehen die französischen Alpenorte hier aus. Viel Holz, charmante Chalets, Skiwerkstätten, deren Besitzer wahrscheinlich noch vor Mauritius surfen, Sessellifte, die noch nicht in Betrieb sind, Hinweise, man sei verpflichtet, ab 1.11. Schneeketten mitzuführen. Einige der Berggipfel, die wir vor uns haben, scheinen das mit ewigem Schnee bestätigen zu wollen.
Wir kurven in Italien ein, sehen Skidörfer mit ganz anderer Architektur und sind noch immer von den Aussichten begeistert. Aber: Wollen wir hier in einem der Dörfer übernachten? Wohl eher nicht, zumal es erst drei Uhr nachmittags ist.
Also doch Kurs auf Turin. Die ersten 40, 50 Kilometer auf der Landstrasse, dann haben wir vom unendlichen Gekurve die Nase voll und wechseln für die restliche Strecke auf die Autobahn. All das, was wir vorher mühsam über Serpentinenstrassen erarbeitet haben, geht nun via Tunnel und imposante Brücken ganz flott und fast geradlinig weiter.
Ein paar Kilometer vor Turin machen wir Halt an einer Autobahnraststätte, trinken einen Kaffee und suchen in der Altstadt ein Hotel. Uns gefällt ein Apartment, das wir auch sofort buchen. Später wird sich herausstellen, dass wir für Hinnis wieder ein prima Gästezimmer gehabt hätten. Die Bude liegt richtig gut im historischen Viertel, ein Parkplatz für 14 Euro pro Tag gegenüber. Wir checken ein, bringen ein paar Habseligkeiten unter, schütteln uns kurz – und machen uns auf den Weg, Turin zu entdecken.
Schon nach den ersten Metern ist klar, dass wir die Stadt immer unterschätzt haben. Wir entdecken schöne Marktplätze, üppige, barocke Kirchen, schlendern am Po entlang und gucken uns schicke Menschen bei untergehender Sonne an. Hier wird flaniert und geflirtet, zum Aperitivo gibt es fast überall ein Buffet, von dem man sich bedient. Sehr interessant. Nur lassen wir den Apéritif aus: Wir wären sofort blau, weil wir den ganzen Tag über fast nichts gegessen haben und jetzt schon wieder Kilometer um Kilometer in Turin herumspazieren.
Kurz nach sieben, als erste Gäste, fallen wir in eine Trattoria ein und fallen wie hungrige Wölfe über einige der Spezialitäten her. Dazu gibt es roten Hauswein – wir sind satt und fröhlich und ein bisschen angeschickert und todmüde. Kurz vor zehn wieder im Hotel, fallen wir wie ohnmächtig in die Kissen. Der letzte Gedanke: Morgen verlängern wir die Bude um eine Nacht und gucken noch mehr von Turin.