Was für ein Mistwetter! Morgens um sechs werden wir vom Geplatter des Regens wach. Gestern, nach dem Fussballspiel, hat es auf dem Rathausmarkt schon verdächtig feucht geglitzert, aber heute morgen gibt’s kein Halten mehr. Jammern nützt ja bekanntlich nichts.
Meine neue Freundin von der Rezeption ist heute morgen auch Chef im Frühstücksraum, einem Jugendstilsaal mit exorbitant schöner Kassettendecke, einigen originalen Spiegeln, Illustrationen und ein paar Schmiedearbeiten. Alles aus dem Müll gerettet… Meine Freundin informiert mich rundum. Außerdem habe sie mich gegoogelt und würde mir demnächst mal so alles schicken, was hier historisch los war. Da bin ich wirklich gespannt.
Aber außer dem großen Herzen für die Historie hat sie auch noch eines für die Küche. Ihre Ham and Eggs sind sensationell. Am Nebentisch wünscht sich eine dreiköpfige Familie Rühreier. Die Portion, die angereicht wird, hätte leicht für sechs gereicht. Ach ja, und wollten wir mal wieder vorbeikommen: die Freundin meiner neuen Freundin ist die Direktorin des Theaters. Wir sollten mal zusehen, dass wir zu einer guten Aufführung kommen. Natürlich würde sie uns 1a-Freikarten besorgen. Die Frau ist wirklich ungeheuer! Wir haben einander ins Herz geschlossen.
Aber unsere Wege trennen sich. Zwar trödeln wir noch ein bisschen herum, aber dann packen wir’s doch. In strömendem Regen fahren wir über die 14 zunächst nach Gablonz. Hier, im äußersten Zipfel Böhmens, haben die Swarovskis einst angefangen. Noch heute findet man überall große Glasfabriken, Bläsereien und Schleifereien rund um den Ort. Wegen der miesen Wetteverhältnisse schenken wir uns einen Besuch im Kristallmuseum ebenso wie den auf Burgen und Schlöösern, die offenbar im Nebel kauern. Leider kann man die Schönheit der Gegend wegen des Wetters nur erahnen.
Wir queren das Isergebirge, das für Skiläufer perfekt ausgerüstet ist, fahren durch Märchenwälder, durch deren Wipfel in dieser Höhe die Wolken schweben. Es ist wirklich wunderschön, wäre wohl bei schönem Wetter kaum auszuhalten.
An der tschechischen Grenze, die es lt. Schengen-Vertrag gar nicht gibt, springt ein Wachtmeister aus seinem geheizten Kombi, kriegt auf Verlangen alle unsere Dokumente zu sehen, klettert zurück ins Warme und lässt uns weiterfahren. Schon sind wir in Polen. Gleich hinter der Grenze wechselt eine ungeheuerlich gelangweilte Frauensperson unsere Kronen in Sloty – wir sind wieder flüssig.
Uschi leitet uns durch abenteuerliche Wege, und wieder ist es das Wetter, das endlich dazu führt, dass wir die Faxen dicke haben: das letzte Stück nach Wroclaw, früher Breslau, fahren wir über die Autobahn. Unser direktes Ziel ist das Hotel Slask, in das wir uns für 45 Euronen pro Nacht zwei Tage eingebucht haben. Puh! Endlich weg von der Straße.
Das Zimmer ist in Ordnung, das Hotel auch. Wir lunchen in der Cafeteria, teilen uns einen Salat mit Hähnchenbrust, Wasser und Kaffee und zahlen dafür rund 8 Euro.
Nun bleibt das Auto stehen, wir fahren für umgerechnet 50 Cent pro Nase mit der Straßenbahn in die Altstadt. Sprachlich sind wir hier natürlich die letzten in der Reihe. China oder Kambodscha war auch nicht viel schwieriger. Einige geben vor, etwas Englisch zu können, andere plappern ein paar Brocken Deutsch. Ach, wird schon irgendwie klappen.
Zunächst ist es kühl und windig und alles neu. Der Versuch, einen Adapter fürs Elektrische zu kriegen (hier gibt es noch einen Extra-Pijökel für die Erde, darum passen einige Stecker nicht), scheitert nicht an der Sprache: Es gibt ihn einfach nirgendwo. Egal. Wir machen mal eine große Runde durch die Stadt, haben zwar einen Stadtplan aus dem Hotel unterm Arm, aber der ist nur auf Polnisch. Gut vorbereitet geht besser… Tolle Fassaden, uralte Häuser, Touristen aus aller Welt: Schön! Nur finden wir uns nur über try-and-errror-walking zurecht, haben überhaupt noch keinen richtigen Plan von der Stadt. In einer Tourist Information finde ich einiges darüber, dass Wroclaw in diesem Jahr zusammen mit San Sebastian Weltkulturhauptstadt ist. Aber Broschüren in deutsch, englisch, französisch oder spanisch sind aus, es gibt noch ein Exemplar auf Polnisch. Wieder mal: nützt ja nix…
Früh gehen wir, nachdem wir wegen des Gottesdienstes aus der Elisabethkirche rausgeflogen sind, in den Spiz Braukeller essen. Hier tobt das Leben! Überwiegend Einheimische um uns herum, dann noch zwei, drei Chinesen, fallen kaum auf. Juan isst ein hervorragendes Wildschweingulasch an Buchweizengrütze, ich geräucherte Rippchen. Den echten Kick gibt der frisch geriebene Meerrettich, dem man nicht ansieht, was er für ein scharfes Kerlchen ist… Dazu gibt es Bier, was sonst in einer Brauerei. Das Ganze kostet gerade mal 30 Euro. Mit der Bimmelbahn fahren wir wieder ins Hotel, achten scharf auf die Ansagen, damit wir nicht verloren gehen. Das Wetter hat sich mittlerweile beruhigt. Mit Glück ist es morgen besser. Morgens ist übrigens Himmelfahrt – erstaunlicherweise im erzkatholischen Polen kein Feiertag. Aber ein Grund für viele, mal eben im ehemaligen Breslau vorbeizuschauen. Wir werden auch auf der Pirsch sein. Und wollen auch erfahren, was es mit den Zwergen auf sich hat, die überall in der Altstadt rumlümmeln.