Wir haben Zeit. So viel wir wollen. Daran muss man sich nach einem Trip wie dem Unseren auch erst mal wieder gewöhnen. Kein Check der Ruta0, der website, die relativ zuverlässig Auskunft über südamerikanische Strassenverhältnisse gibt, kein hastiges Zusammenwerfen der Klamotten, kein Tagesplan – nichts.
Weil der Himmel grau ist, das Thermometer aber 28 Grad anzeigt, bleiben wir ein bisschen zuhause. Die „Waschküche“ mit einer Luftfeuchtigkeit um 90 Prozent schieben wir noch ein bisschen vor uns her.
An der Nachbartür hängt ein Weihnachtssocke, aber ansonsten ist das hier alles nicht wirklich weihnachtlich. Die Waschmaschine tanzt immer noch durch die Küche, was zur Folge hat, dass ich mich während des Schleudergangs dagegen stemme, um sie unter Kontrolle zu behalten. Die Klimaanlage tut, was man von ihr verlangt, wir frühstücken um zwölf.
Dann raffen wir uns auf, denn die Weinvorräte gehen zur Neige und der Kühlschrank ist leer. Wie überall auf der Welt wird auch in Argentinien eingekauft, als gebe es kein Morgen. Dabei sind die Geschäfte am 24. bis nachmittags geöffnet, der 26. ist sowieso kein Feiertag mehr.
Bei Bambi – so heißt unser Supermarkt – kaufen wir ein Stück Rindfleisch und Kram, das werden wir morgen ganz langsam bei niedriger Temperatur schmoren. Dazu Kartöffelchen, fertig. Kartöffelchen? Die sind hier kindskopfgross!
Die Beute wird zuhause gelagert, aber nach einer Siesta gucken wir mal wieder ins Dorf. Ach, San Telmo, was biste schön! Juan wollte es mir ja nicht glauben, aber in der alten Markthalle gibt es neben Kitsch und Antikem wirklich Obst, Gemüse, Käse, Fleisch… Eingekauft wird von der Nachbarschaft, also sind die Preise in Ordnung.
Auf der Plaza Dorrego, auf der sonntags der berühmte Flohmarkt stattfindet, wird Tango getanzt. Wir trinken ein Bierchen, knabbern Erdnüsse und sehen zu, wie grazil eine Chinesin den argentinischsten aller Tänze mit ihrem Partner tanzt. Großartig! Viel los auf dem Touristenplatz, aber weil überall auch Einheimische plaudern, fallen die Fremden gar nicht auf.
Noch ein kleiner Spaziergang durch unbekannte Gassen, dann ein Stop in einer traditionsbehafteten Pizzeria. Hier kaufen wir zwei mit Fleisch gefüllte Empanadas frisch aus dem Ofen. Das wird nach einer Avocado das Zwischengericht vor Milanesas mit Tomatensalat. Danach gucken wir nur noch ein bisschen fern. Juan ein politisches Geschrei im Wohnzimmer, ich nebenan auf dem iPad eine neue, vorab gelobte Serie namens Jennifer oder so mit Olli Dittrich als Friseur. Ich finds blöd und aufgesetzt, lese noch ein paar Seiten in Natasha Solomons Buch „Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand“ und mache dann das Licht aus. Von nebenan höre ich noch, dass alle gegen Macri krakeelen…