Früh geht es wieder los, doch erstmal müssen wir die U-Bahn zum Hankou-Bahnhof bewältigen. Sie ist so voll, dass ich erstmals Platzangst kriege. Dazu haben wir natürlich auch noch unsere Trolleys. Nicht viel Gepäck, über für die Bahn frühmorgens Riesenteile.
Aber natürlich kommen wir an. Zugfahren in China – das ist schon etwas Besonderes. Die Bahnhöfe, so natürlich auch dieser, sind unvorstellbar groß, aber sehr gut organisiert, wenn man erst einmal sein Ticket hat. Es gibt unendlich viele Züge, aber es müssen ja auch unendlich viele Menschen befördert werden. Wer an DB-Preise gewöhnt ist, kann nicht glauben, wie günstig Zugfahren sein kann. Wir haben alle Zugtickets über eine Agentur gebucht. Das kostet zwar ein paar Euro Servicegebühren, dafür erspart man sich aber lange Warteschlange vor den Ticketschaltern. Hat man seine Karte, wird das Gepäck durch einen Durchleuchter geschoben: Sicherheitskontrolle. Anschließend begibt man sich in einen für seinen Zug vorgegebenen Wartebereich. Und wartet. Rechtzeitig öffnen sich die Pforten, dann schieben Hunderte in Richtung Gleis. Auch hier ist alles wieder super organisiert: Auf dem Bahnsteig stehen die Nummern der Waggons, da – und nur da – wartet man, bis der Zug kommt. Durch dieses System wird der Einsteigeprozess schon mal entspannt. Ist man im Zug, begibt man sich zu seinem Platz, lädt sein Gepäck ab. Kaum fährt der Zug ab, kommt schon die erste Putzfrau und feudelt mal kurz den Boden. Wischt sie nicht feucht, kommt jemand mit Besen und Aufnehmer oder Müllbeutel – hier wird ständig saubergemacht ! Manchmal schlängelt sich das Putzpersonal an den Stewardessen des Zuges vorbei. Im Angebot sind warme Speisen, Obst, Kekse und Süßigkeiten, Kaffee, Tee, kalte Getränke … Und es wird viel gekauft und konsumiert, gleichgültig, wie kurz die Reise ist. In früheren Zeiten muss es in den Zügen während der Fahrt hoch hergegangen sein. Aber mit der Einführung der Smartphones ist der Lärm absolut in Ordnung und zu ertragen. Manchmal ist es so still, dass man den Gesang irgendeines Mädchens im ganzen Waggon hört…
Uns interessiert allerdings viel mehr, was sich draußen im vorbeiziehenden China tut. Wir haben natürlich absichtlich nur Züge gebucht, die tagsüber fahren. Eine ebenso plietsche Entscheidung wie die, Trolleys statt Rucksäcke mitzunehmen. Die unter dem Gewicht ächzenden Backpacker, die natürlich auch alle dazu noch viel mehr Kram mit sich herumschleppen, schielen schon mal in unsere Richtung, wenn wir unsere Wägelchen mit leichter Hand vier uns herschieben… Zurück in den Zug: sanfte Hügel enorme Agrarflächen, überwiegend Reisanbau, aber auch Mais, Weintrauben, Gemüse. Menschen, die mutterseelenallein, so scheint es, große Flächen bearbeiten, an denen wir mit der Höchstgeschwindigkeit von 207 km/h vorbeizischen. Und dann die Städte. Man muss sich disziplinieren und weiteratmen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Wir rauschen durch Riesenansiedlungen, deren Namen wir weder sehen, noch könnten wir sie irgendwo zuordnen. Es ist alles groß, es ist von allem viel, es ist anstrengend.
Nanjing ist natürlich ebenfalls ein solcher Moloch. Wir überqueren den Yangtse, fahren durch Häuserschluchten und fürchten uns ein bisschen vor der Stadt, weil 34,2 Grad im Zug avisiert werde . Aber es nützt ja nix. Angekommen am riesigen Südbahnhof haben wir in der vielleicht 200 Meter langen Schlange der auf ein Taxi Wartenden Zeit, uns zu akklimatisieren. Und stellen fest, dass es höchstens 24 Grad warm ist. Mit dem Taxi kurven wir wild herum, haben schon den Eindruck, dass der hupende und andere Autos im Affentempo schneidende Taxifahrer nicht die Andeutung einer Ahnung hat, wo das Orange Hotel Nähe dem Xuanwu Lake liegen mag. Aber Irrtum. In einer Seitenstraße, direkt hinter der berühmten historischen Stadtmauer, liegt unser Hotel. Die Eincheckprozedur zieht sich. Unsere Pässe werden Seite für Seite kopiert, in rudimentärem Englisch wollen die Damen eine 100 Yuan Kaution, was albern ist, weil das nur 12 Euro sind. Aber nach einer gefühlten Stunde sind wir dann in unserem 35-Euro-Zimmer. Wifi ja, Klima auch, aber leider kein Safe. Das ist blöd, weil wir ja einen ganzen Apfelkorb mit uns herumführen. Aber auch das nutzt nichts. Wir blaffen uns ein bisschen an, weil ja jemand die Schuld haben muss. Und trollen uns Richtung Hunan Lu, weil wir Hunger haben. Noch ist nicht alles geöffnet, aber natürlich finden wir einen Laden, essen eine Kleinigkeit und laufen dann durch die Stadtmauer zum See. Es ist kühl inzwischen, außerdem so windig, dass ich das Tüchlein um den Hals binde. Aber für heute ist die Luft raus. Wir haben genug von Stadt und Sehenswürdigkeiten, von guten und schlechten Entscheidungen und Gehirn zurück ins Hotel. Nicht einmal zum Essen wollen wir noch raus. Juan zieht los und kommt eine halbe Stunde später mit zwei Dosen Bier und einem Paket wheat Crackers, unserer Notration, zurück. Im Fernsehen verfolgen wir den Taifun, der dieser Tage auch Shanghai (da sind wir ab übermorgen) heimsuchen könnte. Und ich telefoniere mit Natzilie, die gerade aus der Türkei zurück und auf dem Sprung nach Berlin ist, via FaceTime. Wir lachen und schnacken ein bisschen, dann geht Natz in Hamburg einkaufen und ich in Nanjing ins Bett. Morgen wollen wir die Stadt von John Rabe mal etwas unter die Lupe nehmen. Den Vergnügungspark schenken wir uns trotz einiger Bauten, die wir gern besichtigt hätten, das Denkmal des japanischen Massakers werden wir wohl auch nicht schaffen, dafür soll es Konfuzius mit uns zu tun bekommen…
Medio día en Nanjing
Cuidado con el tifon y ustedes son mas lindos que Angelina y Brad Pitt