Wir haben gut geschlafen in Angoulême, der Hauptstadt der Comics. Um acht gibts Frühstück, kurz davor steh ich am Kaffeeautomaten. Bevor wir diese attraktive Stadt verlassen, wollen wir noch einen Rundgang machen. Was genau meint die Wetterapp mit „leichtem Schneefall“? Der bleibt uns zwar erspart, aber die Lausekälte nicht. Eingemummelt für arktische Verhältnisse machen wir uns auf den Weg zur Markthalle. Trotz klirrender Kälte bieten einige Hartgesottene Obst, Brot und Gemüse an. Aber die Sonne wärmt nicht. Auch in der spannenden Markthalle ist es vor allem frisch. Tolle Angebote aus der Region, vor allem tolle Gestalten um uns herum. Zu Abschluss gönnen wir uns ein kleines Frühstück im Café gegenüber.
Und nun? Toutes directions – wie so oft unsere Richtung. Manchmal denke ich, dass das auch der Motor für unsere unbändige Reiselust ist. Wir machen uns immer Richtung Toutes directions auf den Weg, sind aber noch nie dort angekommen…
Aber ich lenke ab: Wir würden ja ganz gern ein bisschen Golf spielen, haben aber bei diesen Temperaturen doch nicht viel Lust. Unserem Navi teilen wir mal Coutras als Zwischenziel mit. Was für eine tolle Landschaft auf dem Weg dahin. Wir fahren über kleinste Strassen, schrecken mal eine Beagle-Meute auf, mal ein Bäuerchen in seinem Garten. Ein paar Bäume blühen schon zaghaft, sogar Magnolien sehen wir bereits in ganzer Pracht. Zwischendurch mal ein Schlösschen, mal Manoir. Geduckte Häuser, enorme Güter. Und Wein. Viel, viel Wein. Die Namen der Weingüter kennt man alle aus den oberen Regalen im Weinfachhandel. Obwohl noch Grünes fehlt, ist die Landschaft hinreißend. Das Lächeln ist wie festgezurrt.
Coutras enttäuscht uns nur deshalb, weil das einzige Restaurant am Ort vielversprechend, aber complet ist. Sonst ist es dort ganz niedlich. Schon ein paar Kilometer weiter biegen wir an einem Rondell ein: Im letzten Moment habe ich ein Asia-Restaurant entdeckt, und wir haben Hunger. Diese Buffett-Tempel sind in Frankreich fast immer Garant für Qualität. So auch dieser. Feine Dimsums, alle möglichen Gerichte, Fisch und Fleisch werden im Wok frisch zubereitet, Muscheln und Austern sind appetitlich arrangiert.
Immer noch fröhlich ziehen wir weiter, um bald eine Templerkapelle zu besichtigen. Uralt, heruntergekommen, grossartig. Zwölftes, vielleicht dreizehntes Jahrhundert. Jetzt stehen ein olles Klavier darin und Klappstühle. Dennoch beeindruckend. Die Templer waren im Mittelalter mit ihrem in Jerusalem gegründeten Orden höchst aktiv in Aquitanien, darauf ist man heute noch sehr stolz.
Wir passieren das Dordogne-Willkommen-Schild und sind auch schon bald in Libourne, ungefähr 50 Kilometer östlich von Bordeaux. Zwar hatten wir nicht ausgeschlossen, hier ein paar Tage zu bleiben, aber die engen Strassen, der Mangel an Charme auf den ersten Blick haben uns zunächst davon abgehalten.
Keine Ahnung, wo wir wohnen werden, aber erst einmal besuchen wir einen Golfplatz. Wie überall sind auch hier die Leute zauberhaft. Der Golfplatz nicht so sehr, weil es aus meiner Sicht fürchterliche Hügel gibt. Der Platz ist übrigens vollständig in Familienhand. Nun ist es aber nicht so, dass Mutti in der Küche steht, Papi sich ums Grün kümmert und die Kinder das Publikum amüsieren. Die Familie, der das alles hier gehört, bekommen wir nicht zu Gesicht. Ihr gehört auch das gesamte, riesige Weingebiet soweit das Auge reicht, das Gestüt einen Hügel weiter und vieles, vieles mehr. Schade, aber dieser Golf de Teynac ist mir trotzdem zu anstrengend. Und die Carts sind noch im Winterquartier.
Viel besser gefällt mir der Club de Cameyrac, einige Kilometer weiter. Es ist zu spät und zu kalt, aber morgen werden wir hier sportlich aktiv. Aber wo bleiben wir? Stopp am Strassenrand. Bei booking finden wir in Izon ein kleines Haus am See. Da fahren wir erstmal hin. Wirkt ganz ruhig an einem Angelsee, also buchen wir mal drei Nächte.
Die Vermieterin meldet sich sofort, muss noch mal eben mit dem feuchten Lappen durch die Bude gehen. Und das, obwohl der erste Geburtstag ihrer Tochter heute noch gross gefeiert wird. Also schwenken wir kurz noch ein zu einem intermarché, kaufen ein paar Dinge und beziehen dann unser geputztes putziges Haus mit toller Terrasse. Es soll ja ab Montag wärmer werden. Mal sehen.