Das Frühstück im Hotel Lido in Muggià war wider Erwarten völlig unitalienisch: Aufschnitt, Käse, Müsli, dazu ein deutsch sprechender Kellner, der sich seine Kenntnisse in der Schule, in Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen angeeignet hat. Und zwar fehlerfrei. So entspannt es im Frühstücksraum zugeht, so unruhig ist es nach wie vor draußen vor der Tür. Wir gucken zwar über die Bucht nach Trieste, aber alles durch einen Regenschleier.
Via whatsapp-Telefonat hören wir, dass sich auch in Hamburg das Wetter gerade dreht. Von hochsommerlichen Temperaturen kommt pünktlich zum Pfingstwochenende das Downgrade Richtung 12, 13 Grad. Schade!
Hier in der Gegend einschließlich in Istrien, Kroatien und Co. soll es ab Montag besser werden. Der Grund, uns für zwei Nächte eine Wohnung in Trieste gemietet zu haben. Da können wir dann wenigstens ein bisschen Kultur schnuppern. Ausserdem haben wir keine Lust, eine schöne Küstenstraße (haben uns alle vorgeschwärmt) bei schlechtem Wetter zu befahren. Wir lernen fast mit Erstaunen, dass wir Zeit haben.
Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber Trieste hatte ich immer als gammelige Hafenstadt im Kopf. Grober Irrtum!
Von 1382 bis 1919 gehörte die Stadt zu Österreich, war ein beliebter Ferienort von Kaiserin Sisi und wichtiger Standort der Habsburger zur weiten Welt. Schloss Miramare, früher Sitz des Kaiser-Bruders, ist jetzt ein Museum etwas außerhalb der Stadt.
Bis heute ist der Wohlstand vergangener Zeiten spürbar und längst wieder aufgefrischt, der Einfluss österreichischer Lebensart immer noch allgegenwärtig. Es entstanden in der 200 000-Einwohner-Stadt sogar inzwischen traditionsreiche Kaffeehäuser: Das Caffè Tommaseo am Lungomare ist seit 1830 in Betrieb und zählt damit zu den ältesten in ganz Italien. Hier hatten wir gestern bei strömendem Regen Zuflucht gefunden…
Die in den vergangenen Jahren wieder renovierte Altstadt besteht heute aus wenigen Gassen. Mussolini hatte diesen Teil der Stadt bewusst verkommen oder zerstören lassen, um die antiken Reste aus der Triestiner Vergangenheit freizulegen. Hierzu gehören unter anderem die Ruinen des Teatro Romano, des römischen Amphitheaters aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.. In der Nähe des römischen Theaters befindet sich die barocke Jesuitenkirche Santa Maria Maggiore. Neben der Jesuitenkirche steht der kleine, romanische Bau der Kapelle San Giacomo, dessen unverputztes, aber präzise geformtes Äußeres durch seine Schlichtheit auffällt. Die Ruinen des Teatro Romano entdecken wir eher zufällig, als wir uns ein bisschen verfahren und über ein undurchsichtiges Einbahnstrassensystem auf eben diesem Berg landen.
Es wäre schade gewesen, Trieste auf dem Weg ins nur wenige Kilometer entfernte Slowenien links liegengelassen zu haben. So haben wir die Chance, die Stadt ein bisschen besser kennenzulernen.
Mit Hilfe unserer Uschi landen wir gegen halb elf in der Residence Victoria. Mit der Rezeption hatte ich schon früh vor sechs wegen eines early Check-in gemailt. Bereits kurz nach sieben ist die Antwort da und das Apartment steht für uns bereit. Ein gutes Zeichen.
Und ein tolles Apartment! Großes Wohnzimmer mit Kitchenette, Fernseher, Schreibtisch, Essbereich, Schlafzimmer mit King bed von olympischen Ausmaßen und Fernseher, Bad sogar mit Waschmaschine. Pieksauber das Ganze und fast mittenmang der Altstadt.
Natürlich halten wir uns nicht lange damit auf, heimisch zu werden, sondern werfen ein paar Sachen ab, bringen das Auto für die nächsten zwei Tage in ein Parkhaus und machen uns zu Fuß auf den Weg zum Wasser. Kaum zu glauben, aber die Sonne kommt raus!
So ist es noch viel leichter auf die Architektur, die es mit venezianischer Pracht aufnehmen kann, staunend aufmerksam zu werden. Wirklich großartig. Die Stadt ist jetzt am Pfingstwochenende zwar voll, aber nirgendwo überlaufen. Alles kann man gut (an-)sehen, niemand tritt einem auf die Füße oder in die Hacken. Sehr gemütlich. An einem Kanal bewundern wir eine Künstlergruppe, die mit unterschiedlichen Techniken malt. Auch mit unterschiedlichen Begabungen…
Dann biegen wir ein in die Küstenstrasse – und uns bleibt fast das Herz stehen. Neben dem berühmten, imposanten Schulschiff Amerigo Vespucci (kennt man von jedem besseren Hamburger Hafengeburtstag; gute Infos zum Schiff unter http://www.esys.org/bigship/Amerigo_Vespucci.html), das wir gestern schon gesichtet haben, hat ein Kreuzfahrer festgemacht, die Costa Mediterranea (offenbar ein Schwesterschiff des Unglücksdampfers). Eigentlich mehr eine Kleinstadt als ein Schiff. Riesige Ausmaße! Fast 300 Meter lang, über 32 Meter breit. Natürlich gucken wir uns das genauer an.
Es hat sich bereits eine mehrere Hundert Meter lange Schlange gebildet. Neugierige, die das Schiff besuchen wollen. Allerdings nicht den großen Pott, sondern den Traditionssegler. Sowas Feines hat man hier offenbar auch nicht jeden Tag.
Ebenso gucken wir ein paar Yamaha-Freaks zu, die mit ihren Speedkisten durchs Wasser pflügen. Und einer Hundestaffel, also Hundeführern, die mit ihren Tieren am Kai stehen und sich bewundern lassen. Ist schon mächtig bella, dieses Italia!
Es ist inzwischen so warm geworden, dass wir auf dem großen Platz einen kleinen Weißwein in der Sonne trinken, auf der Piazza dell’Unità d’Italia, dem Herzen der Stadt. Dieser ans Meer grenzende, rechteckige Hauptplatz wird auf drei Seiten von neoklassizistischen Prachtbauten umsäumt: dem Palazzo del Governo, der Casa Stratti, dem Palazzo del Municipio, dem Palazzo Pitteri, dem Hotel Duchi d’Aosta und dem Palazzo del Lloyd. In der Mitte des Platzes steht ein Brunnen, der 1750 von Mazzoleni errichtet wurde und die damals bekannten vier Kontinente darstellt. Daneben erhebt sich eine Säule Karls VI., dessen linke Hand auf den Hafen zeigt. Karl VI. hatte mit der Schaffung des Freihafens die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt im 18. Jahrhundert gefördert.
Und hier sehen wir sie endlich mal wieder, ein paar wirklich schicke Italienerinnen. Die meisten haben die Haare kurz geschnitten, ähnlich wie Robin Wright als Claire Underwood in House of Cards. Aber eben italienischer, also weniger trutschig und feingefönt, dafür sehr, sehr gut. Und die ganz Guten färben sogar noch falsche zwischen echte graue Strähnen ins dunkle Haar. Klasse! Dazu roter Lippenstift, rote Fingernägel (ganz kurz!) und basta. Zurückhaltende Klamotte, wenige, wenige, aber große Schmuckstücke (eher Silber als Gold), gute, meist flache Schuhe (aber keine Ballerinas, sondern eher Tod’s) und eine simple Tasche (durchaus von Hermès). Ich bin ganz begeistert von diesem Stil und nehme nur am Rande wahr, dass langsam, langsam dunkle Wolken aufziehen.
Für eine Kugel Eis in einer der alten Eisdielen reicht es aber noch, dann laufen wir nach Hause, kaufen unterwegs noch eine Flasche Weißwein ein, damit unser Kühlschrank nicht so einsam ist.
Lass es draußen doch tröpfeln – es kümmert uns in unserer schönen Wohnung nicht. Erst gegen Abend werden wir überlegen, was wir wo essen werden. Sicherlich nichts Dolles – viel zu anstrengend.