Tierisch!

 

Um vier Uhr morgens kann man ein noch so sanftes Wesen sein: Der Wecker zu dieser Stunde ist ein Feind. Aber wir besiegen ihn, krabbeln raus aus good old Rosie und sind ganz begeistert von der frischen Brise. Nachts um elf hatte Juan die Faxen von unserer Sauna dicke, riss die Fenster auf und verlegte – bei Tageslicht, versteht sich hier – Mosquitonetze. Mit frischer Luft schläft es sich deutlich besser!

Gut. Vier Uhr. Berappeln, anziehen, los. Um fünf stehen wir mit ungefähr 20 anderen in der Halle des Wildlife Access Centers. Es fährt ein alter, grün lackierter Schulbus vor. Am Steuer ein Mann, der genauso heisst, wie er aussieht: Bear.

Er entpuppt sich als hervorragender Kenner des Parks, hat viel mehr drauf als die Hinweise, sich anzuschnallen. Der Mann aus Alaska, wie er typischer gar nicht sein kann! Er stammt übrigens aus Jacksonville, Florida 🙂

Jedes einzelne Tier und wie man ihm in Gefahrenmomenten entkommt, portraitiert er: Wolf, Fuchs, Schwarzbär, Grizzly, Dollschaf – und das gefährlichste von allen, den Elch, weil der gern sofort angreift. Die Fahrer der Busse sind alle besonders geschult, müssen sich jedes Jahr verschiedenen Tests unterziehen. Sie könnten den Job ohne grosse Liebe zur Natur gar nicht machen. Ob sie im Winter auch die Hundeschlitten, mit denen der Denali befahren wird, kutschieren, habe ich vergessen zu fragen.

Wir sind mit dem ersten Bus des Tages unterwegs in den 100 Jahre alten Denali Nationalpark, der etwas grösser als der Bundesstaat New Hampshire ist. Viele Amerikaner, eine Gruppe Inder, eine Handvoll Schweizer – und wir. Wasser und Proviant (Brot, Butter, Schinken, Äpfel) haben wir dabei. Aber bei der atemberaubenden Kulisse des Alaska Range steht einem kaum der Sinn nach Essbarem. Bear erklärt und erklärt, fragt plötzlich: Habt ihr Interesse an Caribous? Haben alle. Hätten wir nie entdeckt, aber Bears scharfem Auge entgeht kaum etwas. Die Schulbussfenster klemmen, werden aber trotzdem gesenkt. Die Leute sind besser ausgerüstet als Fotografen bei der Fussball-Weltmeisterschaft. Unter 300mm ist kaum was zu sehen, nach oben ist alles offen. Toll! Wer sich allerdings aus dem Fenster lehnt, wird von Bear angepfiffen. Sicherheit ist die höchste Priorität.

Etwas später fragt unser Driver: Wie wär’s mit einem Bär? Jubel, Trubel, Heiterkeit! In weiter Entfernung lümmelt ein Grizzly herum. Dem folgt bald ein weiterer. Aber dann sehen wir, dass der entgegenkommende Übernachtbus hält: eine Grizzlymutter mit ihren beiden Jungen direkt am Rand der Schotterstrasse. Einfach nur grossartig. Bear zischt, wir mögen uns doch bitte ruhig verhalten, um die Bären nicht zu stören. Ach, was für ein Erlebnis!

Fast hätten wir die Fuchs-Mutti mit ihrem Nachwuchs übersehen! Die Schotterstrasse bringt uns knapp 100 Meilen in den Park, zum Wonder Lake. Alle 90 Minuten gibt es einen Stopp mit Restrooms, ansonsten fahren wir parallel zur Alaska Range. Der Gipfel des grössten Berges Nordamerikas, des Mount McKinley, einfach Denali genannt, verbirgt sich hinter Wolken, aber auch ohne ihn in ganzer Schönheit ist das Massiv der Alaska Range besonders im frühen Sonnenlicht schwer beeindruckend.

Auch der Weg hat es in sich: Wir schlängeln uns auf schmaler Schotterstrasse an Hängen in schwindelerregender Höhe vorbei. Menschen mit Höhenangst rät Bear: „Einfach die Augen zumachen. So mache ich es auch.“ Gelächter bis zum nächsten Bären.

Die Schulbussitze werden immer unbequemer, je mehr Zeit vergeht. Wir stoppen am Eilson Visitor Center, das architektonisch sehr schön in einen Berg gebaut wurde, informieren uns zehn Minuten, dann geht es auch schon weiter. Fünf Stunden dauert der Hinweg zu Wonder Lake, der allerdings so mit Mücken verseucht ist, dass gleich flaschenweise Off! versprüht wird. Hier steigen zwei aus, die mit ihren Mountainbikes zurückfahren wollen. Eine anstrengende Tour, aber eine unvergessliche Ausfahrt in diesen faszinierenden Nationalpark zwischen Fairbanks und Anchorage.

Neben all den grossartigen Panoramen sehen wir ein gutes Dutzend Grizzlys, einige Hundert Caribous, einen Fuchs, viele Hasen und diese putzigen Erdmännchen, die es hier gibt.

Das Gucken macht einen müde. Als wir um kurz nach fünf wieder im Center ankommen, trinken wir den ersten Kaffee des Tages, schütteln uns kurz und fahren mit der auf Saunatemperatur aufgeheizten Rosie nach Süden zum Grizzly Bear Campground. Sogar unser Plätzchen Nr. 6 ist noch frei. Niemals hätten wir angenommen, dass Alaska um diese Jahreszeit so warm ist! Viele andere Traveller sind ebenso erstaunt wie wir.

Kurz überlegen wir, ob wir neben Rosie etwas kochen: Quatsch. Es geht noch einmal zur Thai-Bude. Da treffen wir ein Paar aus Neuseeland, das eine so ganz andere Tour macht😂: Flug nach Seattle, Kreuzfahrt nach Anchorage, Bus zum Denali, den sie morgen besuchen werden, weiter nach Fairbanks, Flug nach Seattle, Bustour nach Banff und Jasper, in die berühmten Nationalparks in Kanada, Rückflug von Calgary – alles first class und bis ins Detail von Experten arrangiert. Och nö, wir möchten nicht tauschen!

Heute hat übrigens Croco Geburtstag. Ist ausgebüxt, weil er Geburtstage hasst. Aber irgendwie kriegen wir ihn dran. Zur Not hier: happy birthday, lieber croco!!!!!

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