Aufregend

Wie es sich gehört, hat uns der Jetlag im moderaten Griff: Wach seit fünf, aber nur deshalb so spät, weil’s gestern eine dreistündige Siesta gab.Die Stadt ist noch dunkel, Geburtstagsgrüsse an Soledad nach Buenos Aires verschickt, in Bild gelesen, dass Lothar Matthäus heimlich (!) Vater ist. Nun wieder Zeit fürs Wesentliche: New York.

Unser Hotel liegt Nähe Times Square, gestern wollten wir eigentlich nur mal kurz schnuppern gehen, woraus natürlich wieder eine wilde Wanderung wurde. Und wie immer seit meiner Kindheit habe ich an den Beinen auch schon wieder Hautirritationen. Die kriege ich nur in New York, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Aber nun mal nicht greinen…

Zunächst haben wir einen Avocado wrap in einem Café auf der 7th Avenue mitten im Garment District gegessen: Der Laden ist voll zur Lunchzeit hier in den 30ger Strassen mit mehr oder minder gestylten Menschen. Am Nebentisch versuchen zwei dicke Männer mit Goldkettchen einem schüchternen koreanischen Paar eine todsichere Investition anzudrehen, auf der anderen Seite eine Dame, die eindeutig bessere Zeiten gesehen hat und nun zu ihrem 4,95-Süppchen größere Mengen der kostenlosen, einzeln verpackten Brötchen diskret in der Handtasche verschwinden lässt. Arm und Reich lebt hier ganz eng nebeneinander. Zu sehen sind eindeutig wieder viel, viel mehr homeless people als in vergangenen Jahren, gleichzeitig viel mehr Menschen, die zeigen, was sie sich leisten können.

Wir schlendern über die 7th Avenue  Richtung Central Park, weil wir noch mal eben zu Apple gucken müssen. Natürlich ist die Stadt jetzt, im frühen Mai, voll mit Touristen aus den USA und dem Rest der Welt. Alle Sprachen schwirren durcheinander, am Park machen sich die traditionellen Kutschen mit Fahrradrikschas Konkurrenz, von denen viele direkt neben unserem Hotel einen Schlafplatz haben.

Natürlich staunen wir über die Eleganz am South Central Park, freuen uns über die alte Lady, deren Chanel-Jäckchen ganz klar noch von Mademoiselle persönlich in den 30er Jahren angepasst worden war und das keinen Deut seiner Lässigkeit verloren hat. Wenngleich die Lady ein bisschen hineingeschrumpft zu sein scheint. Der kleine Gentleman im grauen Dreiteiler, der vorbeischreitet, ist ganz eindeutig altes Geld, der Luxus der von Doormen bewachten Residenzen hier – es sind wirklich nicht einfach nur Wohnungen – ist spürbar. Die traditionellen Hotelpaläste dazwischen sind allerdings in lärmender Touristenhand. Wo früher Louis Vuitton-Gepäck mit Sorgfalt transportiert wurde, herrscht heute Hello Kitty.

Auf dem weiteren Weg zu Apple, fein am Park lang bis zu Bergdorf Goodman, kommen mir professionelle Sünden in den Kopf: Wie konnten wir Supershorts als modische highlights der Saison apostrophieren ?!? Sind wir denn alle wahnsinnig? Denken wir keine Sekunde daran, dass uns unsere Leserinnen beim Wort nehmen? Hier in New York sehe ich überall, was wir angerichtet haben. Die allerkürzesten Shorts werden über die allerunterschiedlichsten Figuren gezerrt. Jung, alt, dick, dünn, schwarz, weiß – alle laufen mit den Dingern bei 18 Grad herum. Einige kaschieren das schlimmste noch mit leggings, aber die meisten zeigen, was sie haben. Und das ist nicht unbedingt schön. Hätten wir schreiben müssen, dass ein Kleidungsstück an einem 1,80-Model mit 50 Kilo anders aussieht als an einer 1,50-Frau mit 90 Kilo? Hätten wir wohl… Auch ist für alle sichtbar, dass das Thema Cellulite nicht mit einem Cremetöpfchen aus der Welt zu schaffen ist. Möglicherweise sind diese Anblicke der Grund, dass so viele Junkies rund um den Park Erlösung in der Droge suchen.

Apropos suchen: wir sind bei Apple und der Laden ist gerammelt voll. Wahnsinn, was hier alles zusammenkommt. Dennoch findet Juan mit ruhiger Hand den Adapter von der Kamera zum ipad, der in Hamburg 29 Euro, hier 29 Dollar kostet. Was wir allerdings nicht finden, ist eine Kasse. Auf Nachfrage zückt ein vielleicht zwölfjähriger Mitarbeiter, ausgewiesen durch ein blaues tshirt, ein Zigarettenschachtel großes Gerät, zieht die Kreditkarte durch und fragt, ob wir einen ausgedruckten Beleg haben wollten oder er ihn mailen soll. Äh… Mailen ist ok. Beleglos ziehen wir ab. Kein Warten, kein nix. Wieviel da geklaut wird? Keine Ahnung …

Auf der 5th, zumindest in dieser Höhe, setzt sich die Eleganz fort. Vor Gucci parliert ein modelmässiger Mann italienisch ins Handy und winkt gleichzeitig nach einem Taxi. Beeindruckt bin ich weniger von seinem 5000-Dollar-Anzug zu butterweichen Schühchen als von der Melone, die er keck auf dem Kopf trägt. Außer mir fällt das in dieser Stadt natürlich keinem auf 🙂

Mit runden Füßen schleichen wir zu einer Siesta zurück ins Hotel, kaufen einem Koreaner für 10 Dollar noch zwei literflaschen Wasser ab und stellen den Wecker auf halb sieben. Bloß nicht durchschlafen, wir sind ja nicht doof. Juan wacht genau um 20.38 Uhr auf. Zu spät an einem Dienstag für Chinatown, also trollen wir uns Richtung Hell’s Kitchen auf die 9. Vor allem gibt es hier Thais, einer kriegt uns. Thai Select, 472 9th ave. Und wir sind ganz und gar begeistert: Juan isst lackierte Ente mit Erdbeersauce, ich breite Reisnudeln mit Huhn. Scharf! Toll! Dazu gibt es Singhabier und jede Menge Leute zum gucken. Viele Thais ganz allein, eine lärmende Gruppe Amis, Pärchen mit Styles, die aus der vogue kommen könnten neben Touristen mit kurzen Hosen zu Sandalen und einem eleganten Italiener mit seinen halbwüchsigen Kindern, von denen niemand auch nur eine Silbe Englisch spricht. Geht doch auch so!

Ein weiteres Highlight darf nicht unerwähnt bleiben. Das wurstwich. So stand es auf der Karte eines deutschen Restaurants irgendwo auf einer 30er Straße. Gemeint ist die Stulle, die Bemme. Das Leberwurstbrot, Mettwurstbrot und mehr. Wurstwich könnte mein neues Lieblingswort werden. Und nein, wir haben kein wurstwich probiert 🙂

 

So, nun ist es draußen hell, wir brauchen einen Kaffee und machen uns dann auf den Weg nach Williamsburg. Mal gucken, was es da so gibt.

 

4 Kommentare zu „Aufregend“

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